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14.06.2023
Schule statt Kaufhaus
Umbauplanung von agn Niederberghaus & Partner in Hamburg-Ottensen
Die aktuelle Rettungsrunde von Galeria Karstadt Kaufhof hat es einmal mehr deutlich gemacht: Das Konzept Kaufhaus steckt in einer substanziellen Krise. Findige Betreiber machen mit neuen Shopping-Konzepten zwar so manches Haus fit für die Zukunft, doch viele Kaufhausgebäude stehen leer und werden sich in Zeiten des Online-Handels nicht mehr rentabel revitalisieren lassen. So auch in Hamburg-Ottensen. Dort eröffnete 2003 das von me di um Architekten (Hamburg) entworfene Einkaufs- und Dienstleistungszentrum Vivo, das auf ökologische und nachhaltige Angebote setzte.
Wirklich erfolgreich war das Projekt jedoch nie. Vielleicht war es seiner Zeit voraus? Vielleicht lag es auch einfach etwas zu weit abseits? Der projektierte, lebhafte Wochenmarkt im großen, lichtdurchfluteten Atrium hatte jedenfalls keine Chance. Anstelle attraktiver Einkaufsmöglichkeiten wurden beispielsweise einige Flächen vom Land genutzt, um hier thematisch halbwegs passende Abteilungen der Verwaltung unterzubringen. Nun steht der Umbau der Gewerbeimmobilie zu einer Schule für circa 1.500 Schüler*innen an. Damit wird Haus ein zweites Mal Vorreiter, dieses Mal hoffentlich erfolgreicher.
Anfang 2022 fand ein VgV-Verfahren für die Transformation des Vivo-Komplexes statt, das die Hamburger Niederlassung von agn Niederberghaus & Partner für sich entscheiden konnte. Die Planer*innen überzeugten, indem sie programmatisch auf Reuse und maximalen Bestandserhalt setzten. Der einzige größere Rückbau betrifft das Staffelgeschoss, dessen Holzfassade zu stark verwittert ist. Die Stahlkonstruktion des Staffelgeschosses soll jedoch an anderer Stelle wiederverwendet werden. Jenseits dieses Eingriffs soll es keine größeren Rückbaumaßnahmen geben. Ziel sei eine größtmögliche Erhaltung der hochwertigen Bestandsstruktur durch additive Maßnahmen, heißt es vonseiten der Planer*innen.
Als Glücksfall für die nun anstehende Transformation erweist sich die leistungsfähige Sprinkleranlage des Hauses. Sie erlaubt es, das Atrium in seiner offenen Form zu erhalten und eine Atriumschule zu realisieren, wie man sie etwa aus dem aktuellen skandinavischen Schulbau kennt. Die Unterrichtsflächen selbst werden als Cluster gegliedert und sollen als räumlicher Rahmen für offene, pädagogisch progressive Lernformen fungieren. In Hamburg spricht man in diesem Zusammenhang von „Lerncompartments“. Die neue Schule ist eine fünfzügige „Stadtteilschule“ (was in etwa einer Gesamtschule entspricht).
Etwa 20.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche oberirdisch umfasst das Projekt. Hinzu kommen üppige 15.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche unterirdisch, da es zwei Untergeschosse mit Parkplätzen gibt. Trotz der wenigen bisher veröffentlichten Pläne fällt auf, dass die Schule ohne eigene Dreifach-Turnhalle auskommt. Das ist ein mutiges Abweichen von den üblichen Vorstellungen im Schulbau, das man durchaus exemplarisch für das engagierte pädagogische Denken der Gründungsschulleiterin Britta Heils interpretieren darf. Man setze auf „alternative Bewegungskonzepte“ und den Austausch mit anderen Schulen, heißt es. Beim Stützenraster des Gebäudes von acht Metern werde es zwar knapp, aber trotzdem wolle man beispielsweise Street-Soccer-Felder realisieren.
Agn Niederberghaus & Partner fungieren als Generalplaner im Auftrag des Landesbetriebs Schulbau Hamburg SBH. Gebäude und Boden sind im Eigentum des Landes. 2025 sollen die Baumaßnahmen beginnen. Die Eröffnung der Schule ist für den Beginn des Schuljahres 2027/28 geplant. Kosten werden momentan nicht kommuniziert. (gh)
Zum Thema:
Mehr umgenutzte Kaufhausarchitektur gibt es in der aktuellen Focus-Ausgabe von baunetz CAMPUS.
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Kommentare:
Kommentare (2) lesen / Meldung kommentieren
Die vorgelagerte Stahlkonstruktion des Bestandsbaus soll begrünt werden.
Collage zur zukünftigen Nutzung der Galerien im Atrium...
...und die gleiche Situation im heutigen Zustand.
Im Rahmen des Hamburger Architektursommers fand Mitte Mai eine Veranstaltung zum Umbauprojekt im Atrium des Hauses statt.
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