RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Umbau_von_Trace_Architecture_Office_im_chinesischen_Dali_8603527.html

14.06.2024

Bücher retten Altbauten

Umbau von Trace Architecture Office im chinesischen Dali


Die Hauptstadt der Provinz Yunnan heißt Dali. Sie liegt im äußersten Südwesten Chinas, der an Vietnam, Laos und Myanmar grenzt, und besteht aus einer historischen Altstadt mit über 3.000 Jahren Geschichte sowie einem zweiten, neuzeitlichen Teil, auch New Dali genannt. Zwischen Alt und Neu liegen die historischen Hofhäuser der 300 Jahre alten Chongzheng-Schule. Vielen Einwohner*innen der Altstadt ist die Schule noch ein Begriff, weil sie diese selbst als Kind besucht haben oder auch nur weil sie den mächtigen, ebenfalls 300 Jahre alten Feigenbaum der Schule kennen. Der Stadt war es ein besonderes Anliegen, den Verfall der historischen Häuser aufzuhalten. Da kam der Geschäftsmann Qian Xiaohua mit seiner Buchladenkette Librairie Avant-Garde gerade recht.

Qian hat seit den 1990ern eine ganze Reihe von Buchläden gegründet, zuerst in Großstädten wie Nanjing oder Peking. Seit einigen Jahren betreibt er parallel eine Art von privater Entwicklungshilfe und sucht in den abgelegenen, ländlichen Gegenden Chinas nach leerstehenden oder verfallenden historischen Häusern, die er mithilfe von renommierten Architekt*innen instandsetzt und in Buchhandlungen transformiert. Qian nennt das sein „Ruralation Library Renewal Project“ und sagt, jeder habe das Recht auf ein gutes Buch.

In Dali erwarb Qian nun also die alte Schule. Für den Umbau engagierte er Trace Architecture Office (TAO) aus Peking. Mit dem Büro hatte er bereits 2020 den Xiadi Paddy Field Bookstore of Librairie Avant-Garde in den Reisterrassen des Dorfes realisiert. Der neue Eingriff der Architekt*innen besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Da sind zunächst zwei 29 Meter lange, begehbare Stahlregalreihen, die eine neue Struktur in Ost-West-Richtung durch zwei Innenhöfe und die angrenzenden Altbauten einfügen. Kleine Treppen und Durchgänge führen durch das Stahlkonstrukt und bilden ein neues Wegenetz durch die Altbauten.

„Uns war eine kleinteilige Struktur wichtig“, schreiben TAO, „deren Atmosphäre sich bei jedem Schritt verändert und dabei eine neue Perspektive auf die alten Häuser entstehen lässt.“ Dabei stehen die Stahlrahmen leicht diagonal zueinander, sodass sie im westlichen Innenhof einen engeren Innenraum formen. Dort schließt das Café an, gleichzeitig öffnet sich die Struktur nach Osten und wird zu einem kleinen Veranstaltungsraum. Mit Sitz- oder Lesestufen auf beiden Seiten entstehen Sitzplätze für kleinere oder informelle Events. Übrigens sind die Stahlstrukturen mit den Altbauten nicht direkt verbunden, sondern stehen erhöht auf ihren eigenen Betonfundamenten. Sie können gegebenenfalls rückstandslos wieder entfernt werden.

Der zweite wesentliche Eingriff ist ein Neubau aus Sichtbeton als räumlicher Endpunkt im Osten des Ensembles. In seiner Größe und mit einem geschwungenen Dach setzt er die Charakteristik der Altbauten nahezu nahtlos fort. Im Inneren finden sich zwei Etagen. Die untere ist leicht in den Boden eingegraben und öffnet sich mit einer rahmenlosen Glasfassade zur Straße und zur Stadt wie ein Schaufenster. Im Kern steht eine zweite Betonstruktur auf rundem Grundriss. Auf der unteren Ebene ist dies eine besonders dicke Rundstütze, die vollständig von einem Buchregal eingefasst ist.

Nach oben weitet sich die Stütze dramatisch aus. Wie ein Pilzkopf sitzt auf der oberen Etage ein deutlich größerer Raum, der sich als kreisrunder Veranstaltungsraum mit hölzernen Sitzstufen ringsum zu den historischen Höfen öffnet. Zur Stadt hin gibt es eine erhöhte Galerie, von der man auf die niedrige Dachlandschaft der Altstadt blickt. TAO betonen, dass diese Seite als Schaufensterseite entworfen wurde, um möglichst viel Neugierige anzulocken. Denn nur bei ausreichendem Publikumsverkehr könne aus der Buchhandlung tatsächlich ein lebendiges, vielfältiges Kulturzentrum für die ganze Altstadt werden. (fh)

Fotos: Arch-Exist Photography


Zum Thema:

Unsere Baunetzwoche#566 „Bühnen für Bücher“ war der spektakulären Architektur neuer Buchhandlungen in China, darunter auch die zum von Qian lancierten Projekt gehörende, gewidmet.


Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
BauNetz-Maps


Kommentare:
Meldung kommentieren


Alle Meldungen

<

14.06.2024

Dem arktischen Klima trotzen

Wohnkomplex in Nuuk von Biosis

14.06.2024

Wege der Verkehrswende

Testfeld Radbahn Berlin

>
baunetz interior|design
Organische Transformation
BauNetz Wissen
Design for Disassembly
Baunetz Architekt*innen
BLK2 Architekten
vgwort