Anfang der Sechziger wurde hier noch philosophiert, 2003 war damit Schluss. Zum Glück konnte Frankfurts Philosophicum vor dem Abriss gerettet werden. Von 1958–1960 für die philosophische Fakultät der Goethe-Universität von Ferdinand Kramer auf dem Campus Bockenheim errichtet, wird der schmale, neungeschossige Bau jetzt in ein Apartmenthaus verwandelt – heute ist Richtfest. Die erste Teilbaugenehmigung wurde im Mai 2015 für Abbrucharbeiten am Altbau erteilt, davor wurde schon eine Asbestsanierung durchgeführt. Verantwortlich für Umbau und Sanierung dieser denkmalgeschützten Nachkriegsmoderne zeichnet das Frankfurter Büro STEFAN FORSTER ARCHITEKTEN, das im Herbst 2014 mit dem Projekt beauftragt wurde.
Über 200 Wohneinheiten mit jeweils 23 Quadratmetern sollen bis Ende August in dem 80 Meter langen Stahlskelettbau an der Gräfstraße eingebaut werden – mit einer Tiefe von nicht mal elf Metern (10,58 Meter) wird es sicherlich das schmalste Studentenwohnheim der Republik. „Verteilt auf den Altbau und einen Erweiterungsbau entlang der Gräfstraße entstehen insgesamt 238 Studenten-Apartements, eine Kindertagesstätte und ein Café im Erdgeschoss“, erläutern die Architekten ihre Planung. Ein fünfgeschossiger Anbau mit trapezförmigen Grundriss – er ist auf der einen Seite 5,37 Meter und auf der anderen Seite 13,26 Meter tief – schließt an die beiden Treppenhäuser des Philosphicums an. Der Neubau versteht sich als städtebauliche Reparatur: Er setzt Bauflucht und Traufhöhe der Nachbargebäude fort und schließt so den Blockrand – in den dahinterliegenden Geschossen des Bestands sind die Flure angelegt, Wohnungen werden also nicht verschattet. Auf diese Weise will Stefan Forster die bisher vermisste Integration von Kramers Nachkriegsarchitektur in den Stadtraum einlösen.
Gerade dieser Anbau an Kramers schmales Seminargebäude aber hatte vergangenen Sommer für Diskussionen und Empörung auf Seiten der Denmalpflege gesorgt – obwohl mit dem Denkmalamt abgesprochen und von diesem ausdrücklich befürwortet. Nach einem einmonatigem Baustopp aufgrund fehlender Genehmigungen für Teilabriss und Neubau folgte dann doch eine Baugenehmigung für Um- und Anbau. Bauherr ist die Frankfurter RMW Wohnungsgesellschaft von Rudolf Muhr, der den Bestand nach dem gescheiterten Verkaufsversuch der Projektgruppe Philosophicum im Sommer 2014 erwerben konnte. Die Gruppe hatte zusammen mit dem Mietshäuser Syndikat für den Erhalt und die soziale Umnutzung des Philosophicums als Wohnprojekt mit bis zu 150 Einheiten gekämpft – jedoch ohne Erfolg.
Wie das Team von Stefan Forster mit dem ehrwürdigen Bestand umgeht, wird man Ende des Sommers beurteilen können – im August sollen die Apartments bereits fertiggestellt sein. Dass Kramers leichte Stahlkonstruktion nun auf der Rückseite hinter einem Apartmentriegel versteckt wird, kann für Kritik sorgen – die Geste entspricht nicht gerade dem behutsamen Umgang mit einem denkmalgeschützten Bau der Nachkriegsmoderne. Oder ist das Philosphicum einfach zu schmal für unsere heutigen Ansprüche? (jk)
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maestrow | 18.03.2016 16:37 Uhrfauler Kompromiss
Der Projektleiter des Bauherrn, schwadroniert hier über das soziale Leben in der Studentenmonade: Der Trend zeige, so war in der FAZ zu lesen, "...dass der Student von heute allein in dem Kramerbau wohnen wolle." Sein soziales Engagement erstreckt sich auf den Computer, sagt er.
Der grüne Planungsdezernent schwafelt vom Cafe Kramer mit Kramermöbeln. Die Architekten behaupten, das Gebäude in den endlich in den städtebaulichen Kontext zu integrieren. Ist Frankfurt in einen Zustand bewußtlosen Baudeliriums gefallen?