Frischer Putz, historisierende Fensterläden und brandneue Dachziegel – auf den ersten Blick wirkt dieses Bauernhaus wie viele andere überrenovierte Projekte, mit denen die Menschen sich ein ruhiges Leben auf dem Land herbeisehnen. Hier, im Münchner Stadtteil Alt-Riem, täuscht der Eindruck allerdings. Für den Umbau verantwortlich war nämlich der Münchner Architekt Peter Haimerl, im Auftrag von Stefan F. Höglmaier und Euroboden.
Das Resultat: Anstatt mit pseudoländlichem Chic überrascht das Innere mit modernen Raumfolgen. Das denkmalgeschütze Schusterbauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, das praktisch schon verfallen war, verwandelte sich in ein zeitgenössisches Wohnhaus für zwei Familien. Die Transformation beruht dabei auf einem einzigen architektonischen Element. Die Neigung des Daches nachformend und spiegelnd, wurde auf der gesamten Länge des Hauses ein Betonprisma in die historische Architektur integriert.
Diese mutige Intervention erlaubt vielfältige Bezüge zwischen Alt und Neu. Während für die erste Einheit der einstige Wohntrakt größtenteils erhalten und in seinen historischen Zeitschichten lesbar gemacht wurde, sorgen zugleich eine Wohnküche unter dem Prisma und ein Bad darin für ein modernes Lebensgefühl.
Noch radikaler geht Haimerl bei der zweiten Einheit vor, die sich vom einstigen Stall bis ins Dach erstreckt. Die historische Substanz war in diesem Gebäudeteil fast vollständig ausgehöhlt, was weitere räumliche Potentiale eröffnete. Der Zugang befindet sich hinter dem alten Stadltor, von wo aus man über mehrere Ebenen in einen doppelgeschossigen Raum mit Galerie gelangt. Es folgen ein Wohnraum mit Kamin und die Schlafzimmer.
Im Kontrast zum Bestand besteht die neue Architektur ausschließlich aus Sichtbeton, hellem Holz und grauem Filz, welcher der Schallabsorption dient – lediglich an den Kehlbalken des alten Stadels, die wirkungsvoll durch die Dachschrägen stoßen, erkennt man, dass sich hier die Jahrhunderte überlagern. (sb)
Fotos: Edward Beierle für Euroboden
Zum Thema:
Seit Montag zeigt die Architekturgalerie München mit der Ausstellung „Verweile doch!“ inszenierte Fotos von Jutta Görlich und Edward Beierle, die die Transformation des Schusterbauernhauses nachstellen. Noch bis 14. November 2015, www.architekturgalerie-muenchen.de
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
2
karlo | 02.11.2015 13:46 Uhrwortlos
Finde es echt ziemlich gut. Ich sage sogar jetzt was, dass es bei Baunetz noch nicht gegeben hat (Trommelwirbel): Ich finde es sehr gut.
Ich bin kein Freund von 45° Winkeln, aber hier fühlt es sich richtig gut an, und die Bilder belegen es meiner bescheidenen Meinung nach.
Es geht auch mehr und mehr darum alte Höfe, Nachkriegsbauten (z.B. Werkssiedlungen) zu verjetztzeitlichen, ohne die Geschichte komplett zu verneinen. Das kriegt das Gebäude doch sehr gut hin, obwohl es eine klare Position einnimmt.
VIELLEICHT hätte man das Neue auch im äußeren Erscheinungsbild mehr als durch ein flächenbündiges Dachfenster erkennen können, aber vielleicht ist das auch nicht möglich gewesen wegen dem Denkmalschutz, oder Magistrat.
Glückwunsch nach München.
PS: Das Bad ist großartig.