Seit über zehn Jahren steht es schon leer: Das gewaltige Versand- und Logistikzentrum von Quelle, das 1953-1969 nach Plänen von Ernst Neufert in fünf Bauabschnitten an der Fürther Straße im Westen Nürnbergs errichtet wurde. Mit insgesamt 250.000 Quadratmetern Geschossfläche auf einem 6,5 Hektar großen Grundstück hat der Koloss die Ausmaße eines kleinen Stadtteils – und das soll er nun tatsächlich werden. Eine gute Nachricht, herrschte doch seit der Quelle-Insolvenz 2009 vor allem Ratlosigkeit, auch ein vollständiger Abriss stand zur Diskussion. 2015 war das Gelände per Zwangsversteigerung für 16,8 Millionen Euro an den portugiesischen Entwickler Sonae gegangen, passiert ist aber wieder nichts, bis das Gelände 2018 an die Gerchgroup weiterverkauft wurde.
Geblieben sind derweil die Architekten mit ihrem Umbaukonzept: Kister Scheithauer Gross (Köln/Leipzig) hatten schon 2012 für den damaligen Besitzer eine erste große Studie für den Umbau angefertigt. Trotz der häufigen Investorenwechsel arbeitet nun auch die Gerchgroup mit ksg zusammen. Die seit 2018 noch einmal weitentwickelten Pläne sollten eigentlich Ende März bei einem Tag der Offenen Tür auf dem Quelle-Areal vorgestellt werden – dann kam Covid-19. Nun wurden die Pläne weit weniger feierlich an die Presse gegeben.
Entstehen soll ein großes Quartier mit gemischter Nutzung. Ankermieter wird zunächst die Stadt Nürnberg, die auf 42.000 Quadratmetern ein Behördenzentrum einrichten möchte. Über zwei der fünf Baufelder wird sich ein „zukunftsweisendes Verwaltungsgebäude“ in Neuferts Strukturen ausbreiten. Einige der öffentlichen Service-Bereiche und Besprechungsräume werden sich zum großen Innenhof, genannt das „Quelle-Forum“ orientieren, wodurch die Offenheit und Öffentlichkeit jenes Teils unterstrichen wird. 2024 soll dieser erste Bauabschnitt eröffnet werden.
In den weiteren Bauteilen werden vor allem Wohnungen und kleinteilig strukturierte Gewerbeflächen entstehen. Vor allem über die Gewerbenutzung war in den letzten Jahren viel diskutiert worden, soll doch aus dem Quelle-Areal keine Shopping Mall werden, die in Konkurrenz zu den umliegenden Geschäften und zur Nürnberger Innenstadt treten könnte. In den Entwürfen ging es ksg auch darum, uneingeschränkt öffentliche Räume und Passagen entstehen zu lassen; so werden die benachbarten Stadtteile erstmals über das Quelle-Areal miteinander verbunden. Der zentrale Treffpunkt wird das genannte „Quelle-Forum“, ein überdachter Hof, in dem die Konstruktion des Gebäudes über drei Geschosse sichtbar wird. Hier liegt auch ein Schwerpunkt der Gastronomie, die Geschäfte befinden sich im Erdgeschoss und sollen vor allem der Nahversorgung dienen.
In Absprache mit dem Denkmalschutz werden „mit einigen wenigen, schon fast chirurgischen Einschnitten“ oberhalb des Erdgeschosses neue Innenhöfe in das Volumen geschnitten, die Licht in die Wohnungen und Platz für begrünte Höfe bringen. Unter Denkmalschutz steht auch der große Versammlungsraum von Quelle, die Treppenhäuser sowie die Fassaden. Das gesamte äußere Erscheinungsbild soll vom großen Umbau unberührt bleiben: Die langen Fensterbänder, die Brüstungen aus gelbroten Hartbrandsteinen und die fast ununterbrochen umlaufenden Deckenbänder aus Sichtbeton fungieren weiterhin als markante Elemente des gewaltigen Gebäudes. (fh)
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Lars k | 21.05.2020 08:45 UhrVielleicht klappts.
Ich bin neugierig, die Ideen klingen gut, besser auch als die paar Visualisierungen. Kann das gelingen, aus dem Quelle Areal mehr als eine Shopping Mall zu machen? Wie wird das Wohnen dadrin aussehen? Was können positive Beispiele dafür sein: das Barbican in London? Ja aber das liegt nicht im Westen von Nürnberg. Insofern ist das ein spannendes Experiment und ksg könnten die richtigen dafür sein. Viel Glück.