Fünf staatliche Einrichtungen, die sich ein einziges Gebäude teilen: Man will sich gar nicht vorstellen, zu welch quälend langen Baubesprechungen eine solche Konstellation geführt haben mag. Falls dem tatsächlich so war, sieht man es dem Ergebnis jedenfalls nicht an. Das riesige, historische Verwaltungsgebäude im Bezuidenhoutseweg 30 in Den Haag erstrahlt nicht nur in neuem Glanz, KAAN Architecten (Rotterdam) haben dem Komplex auch eine gediegene, luxuriöse Eleganz verliehen, wie man sie bei öffentlichen Bauten nur selten antrifft. Weitere Projektbeteiligte waren Facilicom, Braaksma & Roos Architectenbureau, Deerns, Pieters Bouwtechniek und die RebelGroup.
Das stattliche Gebäude im Zentrum der niederländischen Hauptstadt wurde um 1917 vom Reichsbaumeister Daniël E.C. Knuttel in einem frei historisierenden Stil errichtet, der auf bemerkenswerte Weise zwischen Renaissancepalast, Backsteinmoderne und Heimatstil changiert. Heute steht der Komplex unter Denkmalschutz, wobei dies die Verantwortlichen nicht von substantiellen Veränderungen abhielt. Jene seien auch laut Architekten notwendig gewesen, denn das Gebäude habe mit seinen einschüchternden Räumlichkeiten noch immer das Staats- und Gesellschaftsbild des 19. Jahrhunderts gezeigt.
Dass dieses glatte Narrativ nur die halbe Wahrheit ist, wird zwar nicht ganz verschwiegen, aber doch hintenangestellt. Bereits 1993 wurde der Komplex nämlich von Hans Ruijssenaars mit einer leichten Stahlstruktur überbaut und entmonumentalisiert – eine Intervention, für die der Amsterdamer Architekt damals immerhin den Nationalen Renovatieprijs erhalten hatte. Entgegen aller Versuche Ruijssenaars’, gerichtlich gegen das Projekt von Kaan Architecten vorzugehen, wurden seine damaligen Adaptionen maßgeblich zurückgebaut. Architektonisch ist dies nicht unbedingt falsch, ergibt sich doch so ein klareres Verhältnis zwischen Ursprungsbau und den Anpassungen an die Gegenwart. Zugleich wurde damit aber auch die Chance auf ein historisch komplexes Layering vergeben.
Kaans Vision einer zeitgenössischen Arbeitsumgebung, wie sie nun im Bezuidenhoutseweg realisiert wurde, zeugt von den Fähigkeiten des Büros im Umgang mit historischer Substanz – wie auch schon ihre Modernisierung des Provinciehuis in Den Bosch und ihr eigenes Büro in einem alten Bankhaus in Rotterdam. Neue Funktionen wie ein großes Auditorium und ein flexibles „Arbeitsfoyer“ wurden vorsichtig in den Bestand integriert, Lösungen wie die drehbaren Riesenfenster im Erdgeschoss sorgen für Transparenz und Offenheit, und formale Reminiszenzen wie die triangulierten Oberlichter schreiben die Ästhetik des Ursprungsbaus fort. Der einst offene Innenhof wird außerdem durch ein Mosaik des Künstlers Rob Birza floral belebt.
Dass die Atmosphäre in ihrer Gediegenheit teilweise erstaunlich düster geraten ist, entspricht durchaus dem heutigen Geschmack – was auf bemerkenswerte Weise die Stimmung zur Entstehungszeit des Gebäudes spiegelt. Die unbeschwert optimistischen, frühen Neunzigerjahre sind jedenfalls unverkennbar vorbei – nicht nur in der Architektur. (sb)
Fotos: Karin Borghouts, Sebastian van Damme
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LAMAA | 27.04.2017 19:08 UhrALT & NEU
Sehr schön!
Herzlichen Glückwunsch zum mutigen Schritt der Veränderung.