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07.07.2022
Veränderliches Gefüge
Umbau von Hütten & Paläste auf Berliner Kindl-Areal
Die gemeinnützige Stiftung Edith Maryon mit Sitz in Basel hat es sich zur Aufgabe gemacht, Grundstücke der Spekulation zu entziehen, um sie dauerhaft sozialverträglich nutzbar zu halten. Seit ihrer Gründung 1990 hat die anthroposophisch orientierte Organisation über hundert äußerst diverse Projekte insbesondere in der Schweiz und in Deutschland realisieren oder bewahren können – darunter die Basler Markthalle, das ExRotaprint und den Schokoladen in Berlin, aber auch einige Landgüter und rural gelegene Einfamilienhäuser. Im Portfolio befindet sich seit 2015 zudem ein Großteil des Areals der ehemaligen Berliner Kindl-Brauerei in Nord-Neukölln. Auf dem mithilfe der Tochtergesellschaft Terra Libra Immobilien erworbenen Gelände von 13.850 Quadratmetern entsteht derzeit das sogenannte Vollgut, ein Kulturstandort, gemischt mit Wohnungen und sozialen Einrichtungen. Hier konnten Hütten & Paläste (Berlin) kürzlich den Umbau des vormaligen Wirtschaftsgebäudes zum passiv klimatisierten Wohn- und Bürohaus fertigstellen.
Das ehemals inklusive Tief- und Hochparterre fünfgeschossige Gebäude Neckarhof stockten Hütten & Paläste um ein Vollgeschoss in mit Holzfaserdämmplatten überdämmter und ausgefachter Holzständerbauweise auf und schlossen damit an die Traufhöhe der angrenzenden Lagerhalle, die momentan noch von einer Kartbahn genutzt wird, an. Von der Straße aus gesehen bleibt der Aufbau bewusst zeichenhaft, mit weinrotem Putz und grünen Fenstern setzt er sich deutlich von der Klinkerfassade des Bestands ab. Die gen Süden ausgerichtete Hofwand wurde gedämmt und weiß respektive rot verputzt. Hier dient eine vorgestellte Balkonanlage als feststehender Sonnenschutz.
Durch Bereinigung der historisch verbauten Etagen entstanden fünf weitgehend freie Geschosse, die die Nutzung des Gebäudes als Energiefalle begünstigen sollen. Dass hier einstmals Duschen, Umkleiden und Sozialräume für die Beschäftigten der Berliner Kindl-Brauerei untergebracht waren, verrät der Blick auf den Boden, dessen unterschiedliche Fliesenbeläge größtenteils erhalten wurden. Das schlichte Regelwerk lässt eine Vielzahl an Raumordnungen zu, Ausgangspunkt ist jeweils eine zum Treppenhaus hin orientiertes Raummodul mit Sanitär- und Kochbereich sowie Lagerfläche und Garderobe pro Etage. Versetzbare oder rückbaubare Holzwände und eingestellte Möbel sorgen für weitere Unterteilung, Glasfelder und Öffnungen für den tiefen Einfall von Tageslicht sowie die zur passiven Gebäudeklimatisierung notwendige Querlüftung. In dieser Grundstruktur lassen sich zukünftig verschiedene Grundrisse von Büro-, über Atelier- bis zu Wohnnutzungen realisieren
Die ressourcenorientierte Arbeitsweise von Hütten & Paläste zeigt sich in der Verwendung von beim Abbruch der Nachbarbauten anfallenden Dämmstoffen und dem fürs Gebäudeklima nutzbar gemachten Zusammenspiel von Südfassade und der als Speicher genutzten ungedämmten, massiven Nordwand. Ob das Vollgut-Areal, das aufgrund seiner Größe und Lage von Gentrifizierungsgegnern kritisch beobachtet wird, ebenso nachhaltig mit dem sozialen Gefüge des Rollbergkiezes umgeht, wird sich zeigen. Fest steht, dass sich mit dem Einzug der Terra Libra Immobilien GmbH in den Neckarhof die Eigentümer vor Ort niederlassen. (kms)
Fotos: Studio Bowie
Zum Thema:
Der Neckarhof bei Baunetz Wissen, Hütten & Paläste in der Baunetzwoche#600
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