Schon ein paar Jahrzehnte stand das Kraftwerk im westlichen Brooklyn leer. 1904 hatte man es am Rande des Gowan Canal nach Entwürfen von Thomas Edward Murray errichtet – zur Versorgung des strombetriebenen Zugverkehrs. Aber schon in den 1950er Jahren wurde es stillgelegt und das Kesselhaus abgerissen, die Turbinenhalle blieb stehen. In den 1980er und 1990er Jahren entwickelte sich die Ruine zum beliebten Treffpunkt der Graffiti-Szene mit dem Spitznamen „The Batcave“. Nachdem das Gelände 2010 von der Environmental Protection Agency (EPA) saniert wurde, kaufte es die private Nonprofit-Organisation „Powerhouse Arts“ von Joshua Rechnitz, die 2015 eigens für Kauf und Betrieb des Kraftwerks gegründet worden war.
Powerhouse Arts wollte für die „wachsende Zahl von Kreativen in Brooklyn“ aus dem alten Kraftwerk ein Zentrum mit Arbeitsräumen und Werkstätten machen – für geringes Entgelt, denn der öffentlichkeitsscheue Rechnitz ist wohlhabender Erbe einer Unternehmersfamilie und investiert gerne im kreativen und ökologischen Bereich. Seine Einstiegs-Investition für die Powerhouse Arts-Stiftung soll 180 Millionen US-Dollar betragen haben. Mitte Mai konnte das „Kraftwerk für die Kunst und die Nachbarschaft“ feierlich eröffnet werden. Die Entwürfe für den Um- und Anbau stammen von Herzog & de Meuron (Basel).
Das Schweizer Büro hatte 2016 ein kleines, nicht öffentliches Auswahlverfahren für sich entscheiden können. In der Konzeptstudie schlugen sie vor, das Volumen des abgerissenen Kesselhauses wiederherzustellen. Im nun realisierten Neubau bezieht sich die Hülle aus rot gefärbtem Sichtbeton auch auf die historische Backsteinfassade. Eine Rekonstruktion des Kesselhauses ist es gleichwohl nicht, so die Architekt*innen, sondern dessen Neuinterpretation, in der zum Beispiel die kathedralenhaften Rundbogenfenster der Turbinenhalle als neu hinzugefügtes Zitat fortgeführt werden.
Im Inneren bietet der sechsgeschossige Neubau eine robuste Struktur aus Betonfertigteilen, die flexibel einteilbare Arbeitsräume ermöglichen. Im Alt- und Neubau sind zusammen etwa 13.500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche entstanden, hinzu kommen 2.500 Quadratmeter im Untergeschoss. Es wurden Metall-, Holz-, Keramik-, Druck- und Textil-Werkstätten untergebracht, Künstler*innen können sich mit ihren Projekten für die Nutzung der Räume bewerben. So soll sich aus der 115 Jahre alten Industriebrache ein lebendiges Zentrum für kreatives Arbeiten entwickeln und die industrielle Vergangenheit der Gebäude fortgeschrieben werden, so die Stiftung.
Der Neubau gab den Architekt*innen den nötigen Freiraum, um auch die Räume im Altbau effizient zu verknüpfen und für die neuen Nutzungen, die hier übereinandergestapelt werden, zu erschließen. Unten liegen die Räume, die eine große Deckenhöhe und direkten Zugang zu den Lieferzonen brauchen – also vor allem die Holz- und Metallwerkstätten –, während die Druck-, Textil- und Keramikwerkstätten in den oberen Geschossen des neuen Kesselhauses liegen, weil sie eine möglichst direkte Entlüftung benötigen. Überhaupt besitze das gesamte Haus, betonen Herzog & de Meuron, eine hervorragende Entlüftung für eine gesündere Arbeitsumgebung. Dafür wurde zwischen Alt- und Neubau eine kräftige Wandscheibe definiert, die durchs gsamte Gebäude reicht und in der alle technischen Leitungen, Fahrstühle und Treppenhäuser sowie Neben- und Lagerräume untergebracht sind. Zwei hohe, rechteckige Volumen auf dem Dach verbergen nicht nur die Gebäudetechnik, sondern sollen auch auf die zwei Schornsteine verweisen, die früher das alte Kesselhaus qualmend krönten.
Die Öffentlichkeit soll auch willkommen geheißen werden: In der Ostfassade wurde ein neuer Haupteingang unter einem rostroten Vordach in die Fassade der Turbinenhalle gesetzt. Dahinter liegt ein großes Foyer vor einer neuen Betonwand, eine Metalltreppe führt seitlich hinauf zur „Grand Hall“, die als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche unter den renovierten Stahlfachwerkträgern die gesamte obere Etage einnimmt. Auf derselben Ebene findet sich auch im Neubau ein zweigeschossiger Veranstaltungsraum mit Blick auf den Kanal nach Westen, der für kleinere Events gedacht ist. (fh)
Fotos: Iwan Baan, Albert Vecerka/ESTO
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Lars K | 08.06.2023 14:31 UhrUmbauvorteil
Im Umgang mit alten Gebäuden kommen bei H&deM immer noch die besten Sachen raus, im sinne von vielschichtigen Räumen. Das ist übrigens bei vielen so. Hadid und Gehry waren auch immer am Besten, wo sie sich mit was Altem reiben mussten. Wenn sie sich so richtig gegen die Orthogonalität stemmen durften. Das machen H&deM hier zwar nicht, aber ohne das Alte und die direkten Bezüge wäre es eben einfach nur roter Sichtbeton.