Von Christian Schittich
Ursprünglich bedeckten die Hutongs, Pekings traditionelle Wohnquartiere mit ihren an engen Gassen aufgereihten Hofhäusern, einen Großteil der Stadtfläche. Ab den 1990er Jahren aber fielen die meisten davon einer gnadenlosen Modernisierungswelle zum Opfer. Doch auch die wenigen noch verbliebenen werden von ihren Bewohnern aufgrund mangelnden Komforts zunehmend verlassen. Um die alten Strukturen zu erhalten, gilt es, die traditionellen Hofhäuser mit neuem Leben zu füllen. Zahlreiche Architekten wie Zhang Ke von ZAO/standardarchitecture haben hierfür Konzepte entwickelt, denn aktuell wird auch in China der überlieferte Baubestand wiederentdeckt. In diesem Zusammenhang entstand das privat betriebene kleine Design-Hotel mit nur sechs Gästezimmern und einem Café im White Pagoda Temple Hutong nahe dem Beihai Park im Zentrum von Peking.
Dabei gelingt den ursprünglich aus Japan stammenden Architekten Shuhei Aoyama und Yoko Fujii mit ihrem erst 2014 gegründeten Büro B.L.U.E. (Beijing Laboratory for Urban Environment) ein faszinierendes Zusammenspiel von alt und neu, wobei „alt“, zumindest was die reine Bausubstanz betriff, gerade einmal sieben Jahre meint. Denn auch in den bestehenden Hutongs wurde der überwiegende Teil der Gebäude in jüngster Zeit auf Druck der Regierung nach und nach mit dem Argument der besseren Standsicherheit und der Verbesserung hygienischer Verhältnisse erneuert – oftmals in der ursprünglichen Größe und Form.
Bei der aktuellen Sanierung durften die Baukörperform sowie die Materialität zum Außenraum aus Denkmalschutzgründen nicht angetastet werden. Wie schon das klassische chinesische Hofhaus bezieht nun auch der Umbau seine besondere Qualität aus dem spannungsvollen Kontrast zwischen der harten Schale aus Mauerwerk und schweren Ziegeldächern sowie dem weichen Kern mit viel Holz zum Hof. Jedes der sechs Gästezimmer mit Flächen zwischen 20 und 30 qm ist individuell und mit liebevollen Einrichtungsdetails gestaltet und jedes offenbart ein eigenes Raumkonzept. In einigen Zimmern ist das Bett auf einer Galerie unter dem Dach angeordnet, in anderen orientiert sich der Schlafplatz hin zu einem schmalen, teilweise begrünten Lichthof.
Die Fassaden zum Erschließungshof hin zeigen neben dem Holz vor allem großflächige Verglasungen. Dieser zur Straße hin abgeschlossene Bereich dient als halböffentlicher Kommunikationsraum, wo sich die Gäste begegnen und kommunizieren können. Oder man trifft sich gleich auf der kleinen Dachterrasse unter dem großen, schattenspenden Baum. Hier oben hört man die Vögel zwitschern und fühlt sich der hektischen Großstadt entrückt. Und am Abend bei einem Glas Wein, wenn im Hutong draußen langsam die Lichter ausgehen, ist der Besucher überrascht, wie ruhig es im Zentrum einer der größten Metropolen doch sein kann.
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André S. | 04.12.2018 09:02 UhrSchön,
endlich mal etwas Kleinteiliges aus China. Nicht ständig diese gesichtslosen Hochhäuser und überdimensionierten Kulturtempel. Ich hoffe, dass dieses Quartier nicht auch noch dem Größenwahn zum Opfer fällt. Diese Art der Gebäude kann man mit Sanierung viel lebens- und liebenswerter machen, als Apartmentblocks. Dann kommen vielleicht auch Touristen und möchten sich chinesische Städte und traditionelle Architektur ansehen. Weiter so.