In einem Gebäudeblock in Berlin-Schöneberg steht eine Kirche, die eine interessante Wandlung vollzogen hat. Nach dem Umbau und der Erweiterung von Bundschuh Architekten (Berlin) wird hier nun gewohnt. Im Zusammenspiel mit der Landschaftsgestaltung von Hahn Hertling von Hantelmann (Berlin/Hamburg) sei eine Art kleines Dorf entstanden.
Die Kirche wurde ursprünglich 1921 errichtet, dann im Zweiten Weltkrieg beschädigt und in den 1950er-Jahren wieder aufgebaut. Zuletzt nutzte sie eine kleine, exil-koreanische Methodistengemeinde, die jedoch so klein geworden war, dass sie den Kirchenraum aufgab. Fast zeitgleich entdeckte Roger Bundschuh das Gebäude. Da der Berliner Architekt zu dieser Zeit an der Ausführung eines Baugruppenprojekts in Kreuzberg arbeitete, entstand die Idee, auch aus der Kirche ein ungewöhnliches Wohnprojekt zu machen – und zwar mit dem gleichen Partner, der Bürgerstadt AG als Bauherrin und Baugruppenorganisatorin. Die Landeskirche verkaufte Gebäude und Grundstück, weil die Bürgerstadt und Bundschuh unter den Interessenten die einzigen waren, die den Kirchenbau erhalten wollten.
In der Kirche sind acht individuelle Wohnungen zwischen rund 80 und 200 Quadratmetern entstanden. Die Architekt*innen haben versucht, so viel wie möglich von der ursprünglichen Atmosphäre zu erhalten. Eine Wohnung nutzt den alten Kircheneingang als Gartentür, die Dachgeschosswohnung erreicht man über eine Treppe im Kirchturm, der ebenfalls zur Wohnung gehört. Eine Leiter führt dort hinauf bis zur offenen Laterne in der Turmspitze. Das runde Fenster im Dachgeschoss war allerdings nicht mehr original erhalten, weshalb die Architekt*innen es als Zitat neu einbauen ließen. In den meisten Wohnzimmern gibt es bis zu dreigeschossige, vertikale Öffnungen – laut Bundschuh eine Erinnerung an den „Raumeindruck des Kirchenschiffs“.
Um die Öffnung in der Blockstruktur zu bewahren, setzten Bundschuh Architekten ein sechsgeschossiges „Lofthaus“ an die Brandwand des südlichen Nachbargebäudes. So konnte die zentrale Achse durch die Baulücke zur Kirche offen bleiben. Im Neubau gibt es auf jeder Etage eine Wohnung zwischen circa 80 und 140 Quadratmetern Wohnfläche. Laut Bundschuh sei jedes Geschoss gewissermaßen als „großer, dreiseitig belichteter Raum mit bodentiefen Fenstern“ gedacht. Je ne nach Lebensmodell wird dieser Raum jedoch in verschiedene Zimmer aufgeteilt. Die unterste Wohnung hat einen privaten Garten, die oberste Zugang zur begrünten Dachterrasse.
Insgesamt sind mit den 14 Wohnungen rund 1.700 Quadratmeter Wohnfläche entstanden. Alle sichtbaren Bauteile beider Gebäude wurden im gleichen Farbton gehalten, sodass sie als Ensemble wirken. Neben kleinen, privaten Gärten gibt es auch gemeinschaftliche Flächen. Bundschuh spricht von einem „kleinen, grünen Dorf mitten in der Stadt“, das zeige, wie sich dichtes, städtisches Wohnen und eine hohe Qualität von Wohn- und Außenräumen verbinden lasse. (fh) Fotos: Laurian Ghinitoiu
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piberhofer K produktion/Bürgerstadt AG
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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Sabine Flohr | 06.12.2024 10:46 Uhr
Warum keine Erbpacht bei einem Kirchengrundstück?
"Die Landeskirche verkaufte Gebäude und Grundstück, weil die Bürgerstadt und Bundschuh unter den Interessenten die einzigen waren, die den Kirchenbau erhalten wollten." Warum hat die EKBO das Grundstück nicht (z.B.) in Erbpacht vergeben oder mit einer Genossenschaft realisiert, um das Grundstück zumindest ein Stück weit dem Immobilienmarkt zu entziehen und die Chance zu sozialer Gestaltung zu nutzen? Schade. War da nicht was mit sozialer Verpflichtung bei den Kirchen?
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auch ein | 06.12.2024 08:33 Uhr
architekt
@3: da dies ein "privater" umbau mit recht speziellen wohnungen ist kann man das gut so machen. für eine 08/15-renditegetriebene vermietungsfirma sicher nicht. vielleicht muss man es nicht als "kirchenumbau" sehen sondern als nachnutzung für XY. bei fabriken nennt mans dann eben "LOST-Wohnen"
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peter | 05.12.2024 21:17 Uhr
ich weiß nicht...
...ob das wirklich der richtige weg ist. auf diese weise wird vom kirchengebäude kaum etwas erhalten außer teilen der äußeren hülle. solche projekte haben daher vor allem symbolcharakter oder sind ggf. baurechtlich motiviert. wirtschaftlich dürfte das alles kaum sein - der kirchenbau mit seinem raumeindruck, seiner architektonischen und innenarchitektonischen gestalt wird bei diesen radikalumbauten völlig zerstört oder entstellt. in der regel dürften kirchenräume zu tief/breit und zu schlecht belichtet sein, um eine umwandlung in wohnraum sinnvoll umzusetzen.
sinnvoller wären doch zwischen- oder nachnutzungen, die ähnliche anforderungen an den raum stellen wie die kirchennutzung, z.b. kultur- und versammlungsstätten, sport-/kletterhallen, schwimmbäder, meinetwegen lagerhallen oder natürlich - moscheen.
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Mainzer | 05.12.2024 18:08 Uhr
einfach besser bauen
Nahezu perfekt gelöst! Bitte in zentralen Lagen nachmachen, wo immer möglich! Die Richtung stimmt ...
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Arcseyler | 05.12.2024 16:17 Uhr
www.
Eine Basilika ist quer immer neutral gerastert und hier können prima profane Nutzungen durchgesteckt werden. Auch in Ergänzung zur Restkirche.
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Sabine Flohr | 06.12.2024 10:46 UhrWarum keine Erbpacht bei einem Kirchengrundstück?
"Die Landeskirche verkaufte Gebäude und Grundstück, weil die Bürgerstadt und Bundschuh unter den Interessenten die einzigen waren, die den Kirchenbau erhalten wollten." Warum hat die EKBO das Grundstück nicht (z.B.) in Erbpacht vergeben oder mit einer Genossenschaft realisiert, um das Grundstück zumindest ein Stück weit dem Immobilienmarkt zu entziehen und die Chance zu sozialer Gestaltung zu nutzen? Schade. War da nicht was mit sozialer Verpflichtung bei den Kirchen?