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15.11.2024

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Neues Leben für die Altstadt

Umbau in Polen von Analog Architecture


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Włocławek, auf Deutsch Leslau genannt, ist eine Stadt mit 100.000 Einwohner*innen an der Weichsel, ziemlich genau in der geografischen Mitte Polens und knapp 150 Kilometer westlich von Warschau gelegen. Am Flussufer in der Altstadt befand sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein großes jüdisches Viertel. Seit der Ansiedlung der ersten Jüdinnen und Juden ab 1803 war die Gemeinschaft auf gut 13.000 Menschen angewachsen. Sie machte somit rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung in Włocławek aus. Dies endete ab 1939 unter der deutschen Besatzung. Die jüdische Gemeinschaft wurde vollständig vertrieben oder ermordet, die große Synagoge aus dem Jahr 1854, ein Entwurf von Franciszek Tournelle, war bereits im Oktober 1939 zerstört worden. Die kleinen Häuser der Altstadt blieben größtenteils leer zurück.

Heute sind die Gebäude im ehemaligen Jüdischen Viertel in einem schlechten Zustand. Zur typischen Bebauung gehören schmale, meist zwei- oder dreigeschossige Häuser auf langen Parzellen, in deren Höfen sich zahlreiche Werkstätten, Garagen oder kleine Wohn- und Nebengebäude befinden. Seit 2018 bemüht sich die Stadt um eine Revitalisierung ihres alten Zentrums, wobei der Charakter der historischen Häuschen möglichst gewahrt bleiben soll. Um für diese Pläne zu werben, hat die Stadt aus einem der Häuser in der Straße des 3. Mai (ulica 3 maja) ein experimentelles „Revitalisierungs-Zentrum“ gemacht. Den Architekturwettbewerb für den Umbau gewannen Analog Architecture (Koszalin).

Das Vorderhaus zur Straße wurde sorgfältig restauriert, die Architektur anhand historischen Bildmaterials sogar stellenweise ergänzt. Allerdings ist die gesamte Fassade nun weiß gestrichen. Im Erdgeschoss ist das Bürgercafé der Fundacja Ładowarka (Stiftung Aufladen) eingezogen, das ein vielfältiges Programm mit Stadtführungen, Spieleabenden, Workshops und Vorträgen oder Straßen- und Nachbarschaftsfesten anbietet. Dazu gibt es Tagungs- und Seminarräume im ersten Obergeschoss. In den beiden obersten Stockwerken sind vier kleine Maisonettewohnungen integriert, die die Stadt an talentierte Absolvent*innen vergibt, um diese in die Altstadt zu locken. Im Erdgeschoss führt zudem eine offene Passage in den jetzt öffentlich zugänglichen Innenhof.

Dort wurden im Zuge des Umbaus alle Nebengebäude abgerissen. Die Rückwände sind allerdings als nackte, zweigeschossige Backsteinmauern erhalten geblieben. Fehlstellen konnten aus Abbruchziegeln ergänzt werden, sodass der Innenhof jetzt eine umlaufende, zweigeschossige rote Backsteinmauer bekam, aus der in unregelmäßigen Intervallen Steine herausragen. In diesen aufgeräumten Raum sind in Höhe des ersten Stockwerks zwei Einschübe wie Brücken eingespannt: Der erste ist mit dem Vorderhaus verbunden und enthält vier Büroräume. Der zweite ist tief in den Hof gesetzt. Eine geschlossene Treppe führt in ein Atelier mit Wohngelegenheit. Hier bietet die Stadt Residenzen für Künstler*innen an, die den Raum drei Monate lang kostenfrei nutzen dürfen und sich in dieser Zeit idealerweise mit dem Stadtumbau auseinander setzen sollen. Die Residenzen werden von der städtischen Kunstgalerie vergeben. 

Insgesamt wirkt der Entwurf ein wenig wie eine Mischung aus öffentlicher Architektur, Versammlungs- und Gedenkstätte. Und das ist durchaus Absicht, wie die fast quadratische Öffnung in der Rückwand andeutet. Sie bietet einerseits dem Wohnatelier eine Aussicht über den backsteinernen, geschlossenen Innenhof hinaus, soll aber gleichzeitig auf die Abwesenheit der jüdischen Gemeinde und die zerstörte Tournelle-Synagoge hinweisen, die auf dem Grundstück hinter der Backsteinmauer stand. (fh)

Fotos: Jakub Certowicz


Zum Thema:

Mehr zu Polens Kulturbauten gibt es in der Baunetzwoche#656 zu lesen.


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