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25.09.2024

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Leben nach dem Konsum

Umbau in Neuruppin von Meyer-Grohbrügge und Studio Other Spaces


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Karwe ist ein winziges Dörfchen etwa 60 Kilometer nordwestlich der Berliner Stadtgrenze und malerisch am Oststrand des Neuruppiner Sees gelegen. Zu DDR-Zeiten versorgte hier ein kleiner „Konsum“ die 300 Einwohner*innen mit dem Nötigsten. Um die Jahrtausendwende aber wurde der kleine Laden aufgegeben und verfiel zu einer wenig idyllischen Ruine. 2017 stießen die Berliner Architekt*innen Johanna Meyer-Grohbrügge und Sebastian Behmann (der zusammen mit Ólafur Elíasson das Studio Other Spaces führt) auf das Gebäude und kauften es schließlich.

Mit ihrem Entwurf wollten sie den noch vorhandenen Bestand erhalten. Den quadratischen Grundriss des ehemaligen Ladens umfingen sie mit einer neuen, ebenfalls quadratischen, jedoch um 45 Grad gedrehten Grundrissfigur, die auf drei Seiten vollständig verglast ist. Die vierte Seite bildet den Eingang, der sich als geschlossene Mauer mit einem silbern glänzenden, breiten Falttor und einem ebenfalls silbern glänzenden Briefkasten präsentiert.

Durch die Überlagerung der zwei Grundrissfiguren entstehen auf drei Seiten dreieckige Räume, die als Wintergärten gedacht sind. Zusammen mit dem neuen Dach sorgen sie für die Isolierung des Kerngebäudes. In diesem liegen alle Grundfunktionen wie Bad, Küche, Schlafzimmer, Hausanschlussraum. Die Wintergärten bleiben jedoch auch ohne festgelegte Funktion. Durch die Überlagerung der zwei „Systeme“ entsteht eine Vielzahl an Sichtachsen und möglichen Nutzungskombinationen.

Doch das Haus wartet mit einem weiteren Clou auf: Das Dach über dem eigentlichen Verkaufsraum wurde entfernt, sodass dieser nun einen Eingangshof bildet, der alle Räume erschließt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nur die dienenden Räume des ehemaligen Konsums weiter als geschlossene Zimmer genutzt werden.

Der Bauprozess hielt eine „böse Überraschung“ bereit, schreiben die Architekt*innen. Beim Entfernen der morschen Dachbalken entstanden nämlich tiefe Risse in den Mauern, die somit nicht zu erhalten waren, auch wenn das ursprünglich intendiert war. Da die Baugenehmigung bereits erteilt und alle Firmen beauftragt waren, entschlossen sich die Architekt*innen, die alten Wände als „unfreiwillige Rekonstruktion“ aus Blähtonsteinen wieder aufzubauen. Der alte Konsum ist somit als Abdruck mit der exakten Raumaufteilung und auf der originalen Bodenplatte erhalten geblieben, auch wenn alle Wände nach dem alten Vorbild wieder neu aufgemauert werden mussten.

Die Spiraltreppe und die Dachterrasse, die in den Zeichnungen zu erkennen sind, wurden aus Kostengründen noch nicht realisiert. Mit der neuen Nutzung aber wollte man nicht länger warten. Somit ist der alte Konsum seit Juni 2023 ein Ferienhaus für Familie und Freunde – mit einer Ausbaustufe, die noch kommt, „sobald wieder Geld da ist“, betont Meyer-Grohbrügge. (fh)

Fotos: Thomas Mayer_Ostkreuz, Nina Gromoll, Benjamin Albrecht


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

10

M. | 01.10.2024 09:09 Uhr

qu'ils mangent de la trump steaks


trotzdem:
sehr schönes haus.

9

romanesco | 26.09.2024 16:51 Uhr

Nach dem Konsum ist vor dem Konsum

Schöne Architektur, keine Frage. Dringend notwendige Architektur, wenn man sich den nichtendenwollenden Van-Allen-Belt an grauenerregenden Eigenheimen der Vor- und Nachwendezeit vor Augen führt, der Berlin in kaum zu durchmessender Distanz umgibt. Ob der Titel "Nach dem Konsum" richtig gewählt ist (und ob das Haus jemals richtig im Ort ankommen wird) ist indes fraglich. Mit gut 400 m² Grundfläche ist es ein stolzes Modul, und es scheint, als habe der Konsum vor Ort gerade erst begonnen. In ist, wer drin ist. Der alte Konsum ist ohnehin nur Fußnote der Geschichte.

8

auch ein | 26.09.2024 13:34 Uhr

architekt

ich verstehe NULL warum man das alles mit 45° und dreicksräumen macht, wenn man vom "bestand" sowieso nichts mitbekommt.
da muss man jedem besucher mal den grundriss zeigen wenn er fragt "wo ist denn der altbau" ....

und manchmal ist ja der erhalt der substanz dazu da, ressourcen zu sparen. hier hat man am bestand soviel doktern müssen dass es wahrscheinlich sogar nachhaltiger gewesen wär gleich neu zu bauen....

7

Bauwende | 26.09.2024 12:38 Uhr

Hihi

"Unfreiwillige Rekonstruktion" schon jetzt ins Vokabular übernommen. Freue mich schon auf vielseitige Anwendungsfälle, meine baukonstruktiven Fehleinschätzungen sprachlich gekonnt zu verschleiern. "Mit ihrem Entwurf wollten sie den noch vorhandenen Bestand erhalten." sic
Formalästhetisch dann cutes Ding.

6

Schreibtischarchitekt | 26.09.2024 11:00 Uhr

Vernakuläre Architektur

Schöne Raumerfindungen, wenngleich es viele Durchgangsräume gibt. Was mir persönlich fehlt ist die bessere „Kommunikation“ des Gebäudes mit dem Aussenraum. Es gibt keine Terrasse mit Vordach, welche Innenräume mit dem Aussenraum vermittelt. Gerade im ländlichen Raum und zur Naherholung würdc ich den Dialog mit den Freiflächen und die Übergangsformen zwischen Innen und Aussen als äusserst wichtig empfinden. Das gilt auch für urbanisierte Räume. Die meisten Gebäude besitzen nur die harte Kante der Aussenwand mit einem Loch als Eingang. Wenn man Glück hat ist noch ein Vordach über dem Eingang rangetackert. Wo sind die Arkaden, Kollonnaden geblieben …. ?

5

.,- | 26.09.2024 10:44 Uhr

Architektur

Mega!


4

lutzinger | 26.09.2024 09:25 Uhr

Etwas viel Verantwortung für die Architektur

Lieber Maestrow, da der Konsum laut Text 20 Jahre leer stand, gab es diese Option offenbar nicht. Insofern kann ich an einem Ferienhaus für wen auch immer, sei es die "Berlin-Schickeria", nichts Verwerfliches finden. Oder meinten Sie, die Berliner hätten da gefälligst einen Kiosk draus machen sollen?

Ach so, die Architektur finde ich hier richtig gelungen, der etwas sehr grafische Trick im Grundriss scheint tatsächlich zu einem gelungenen Miteinander von unterschiedlichen Zimmern zu führen. Sieht gut aus. Glückwunsch

3

reto | 26.09.2024 09:01 Uhr

Umbau

bedeutet doch eigentlich, dass wenigstens irgendetwas vom alten Gebäude erhalten wird. Nicht, dass es hier viel zu erhalten gegeben hätte, aber es ist halt sonst einfach ein Neubau wo vorher eine Ruine stand... vielleicht wars auch ein Konsum. Spielt aber keine Rolle mehr.

2

maestrow | 26.09.2024 08:47 Uhr

Bestandserhaltung und Dorfleben

allein die Erhaltung der Bausubstanz (falls man diese in diesem Beispiel tatsächlich erkennen kann) trägt oft nicht zur Belebung der Dorfstrukturen bei. Noch ein weiteres Ferienhaus für die Berlin - Schickeria wird hier wie anderenorts vermutlich wenig bis nichts zum Dorfleben beitragen. Wäre ein Leben mit Konsum nicht besser - wiewohl unter den gegebenen Umständen kaum vorstellbar?

1

Sandy Blowmann | 25.09.2024 18:35 Uhr

Bild 10

Die Matratze wird sicher bald schimmeln.
Sonst eigentlich witzig.

 
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