Ein weiteres Beispiel für die gelungene Transformation stillgelegter Industrieanlagen zeigt sich diesmal in der tschechischen Region Südmähren: Seit fünf Jahren verwandelt das Architekturbüro ORA (Znaim) eine ehemalige Keramikfabrik in der Gemeinde Kravsko in einen Hotel- und Veranstaltungskomplex. Ursprünglich ein Gasthaus auf der Strecke zwischen Prag und Wien, wurde die Anlage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eine Fabrik für die Firma Keramika Kravsko umgewandelt und durch mehrere Bauten erweitert. Circa 100 Jahre lief die Produktion, bis sie eingestellt wurde und der Bestand in den 1990er Jahren brach fiel. 2018 übernahm der lokal ansässige Hotelbetreiber ITVV die Fabrikgebäude und überführt diese seitdem sukzessive in die neue Nutzung.
In der ersten Projektphase bauten die Architekt*innen das zentrale Barockgebäude um und integrierten darin vorwiegend Hotelzimmer. 2022 folgte der zweite Bauabschnitt rund um das alte Lagergebäude, das inzwischen weitere Gästezimmer aufnimmt. Baulich daran angeschlossen ist ein Teil des ehemaligen Produktionsgebäudes, der nun als Eingang und Rezeption dient. Außerdem wurden im Süden des Grundstücks die Räume der einstigen Sortieranlage zu einem Restaurant und Veranstaltungsort.
Aus eigentumsrechtlichen Gründen musste der Zugang zum Gelände auf dessen ehemalige Rückseite verlegt werden. Damit die Besucher*innen den Weg zum Eingangsgebäude finden, dass auf der gegenüberliegenden Grundstücksseite liegt, setzte das Planungsteam diesem eine Rampe aus rot eingefärbtem Beton vor und strahlten den weit sichtbaren, nebenstehenden Schornstein mit Neonlicht an. Teile der Produktionsanlage beließen die Architekt*innen in den Räumen und ergänzten eine Installation aus Gipsformen, um die vergangene Nutzung präsent zu halten.
Das ehemalige Lagergebäude hat einen langgestreckten Grundriss mit einer Gebäudetiefe von weniger als sechs Metern. Oberhalb des gemauerten Erdgeschosses ist eine Fachwerkkonstruktion Teil des Bestands. In beiden Geschossen reihen sich seit dem Umbau zusätzliche Hotelzimmer aneinander. Um diese ohne Eingriff in die Konstruktion zu erschließen, setzten ORA dem Bau über die gesamte Südfassade einen Laubengang vor, der aus Eichenholz gefertigt ist. Im Norden ergänzen zusätzliche Pfeiler das Tragwerk. Die Dachstühle blieben in ihrer Logik erhalten, erklärt das Büro in der Projektbeschreibung. Nach Osten bildet nun ein Glasgiebel den Gebäudeabschluss.
Das Bauwerk für die ehemalige Sortieranlage stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts und ist damit das jüngste des gesamten Komplexes. Das äußere Erscheinungsbild blieb auch hier im Wesentlichen erhalten. Die meisten Materialien seien an ihrem Platz geblieben, erklärt Jan Hora, der das Projekt mitverantwortet. Wenn doch mal etwas entfernt werden musste, wurde es an anderer Stelle wiederverwendet, so der Architekt. Die aus massiven Stahlplatten geschweißte Treppe ist neu. Zu den Projektkosten konnten die Architekt*innen auf Nachfrage noch keine Angaben machen. Aktuell arbeiten sie an der Umsetzung des dritten Bauabschnitts. Eines der Fabrikgebäude bleibt außerdem vorerst unsaniert, denn eine Nutzung ist noch nicht gefunden. (sbm)
Fotos: BoysPlayNice
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