Der Kornversuchsspeicher ist eines der wenigen historischen Gebäude, die in Berlins neuem, viel diskutierten Quartier Europacity nördlich des Hauptbahnhofs erhalten sind. Als der Speicher 1897 am Schifffahrtskanal nach Spandau errichtet wurde, sollten darin verschiedene Formen der Lebensmittellagerung erprobt werden, um die ständig wachsende Metropole zu versorgen – er war also eher Körnerlabor als -speicher. Der erste Bauabschnitt wurde massiv gemauert, im Inneren befand sich eine Holzkonstruktion. Aber schon bei der ersten Erweiterung 1915/16 ersetzte Stahlbeton das Holz vollständig.
Aufgrund der seltenen Trichterspeicherdecken und der frühen Verwendung eines Stahlbetonskeletts steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Im Zuge der Entwicklung der Europacity wurde der Speicher an die Adler Group verkauft, die darin Büroräume einrichten ließ. Mit dem Umbau wurden AFF Architekten (Berlin) betraut.
Für die neue Nutzung wurde der Speicher zunächst vollständig saniert, ohne jedoch die Gebrauchsspuren seiner Nutzung zu überschreiben. Die Klinkerfassaden wurden gereinigt und an wenigen Stellen ergänzt, die Außenwände innenseitig gedämmt. Die historischen Fenster wurden erneuert und einige Ausfachungen im nach außen sichtbaren Stahlbetonskelett durch großformatige Panoramascheiben ersetzt. Die Nordseite erhielt fünf Balkone.
Ein zusätzliches Dachgeschoss durfte in Anlehnung an das bauzeitliche Laternendach aufgesetzt werden. Die Architekt*innen führten hier den historischen Blockverband im Reichsformat fort, setzen den Neubauteil jedoch durch Vor- und Rücksprünge vom Bestand ab. So entstanden zwei Dachterrassen. Ein neuer, innenliegender Erschließungskern wurde zwischen den beiden Bauabschnitten von 1897 und 1915 eingefügt. Dessen horizontales Schalungsbild beziehen AFF auf die Mauwerksschichtung des historischen Bestandes.
Im Erweiterungsbau schnitt man in Abstimmung mit dem Denkmalschutz Teile der Bestandsdecken, um die erforderlichen Raumhöhen zu erreichen. Neue Galerieebenen aus Stahl greifen den industriellen Charakter des Gebäudes auf und zonieren die Räume als Büroflächen. So sind auf jetzt sieben Ebenen insgesamt 2.500 Quadratmeter Bruttogrundfläche entstanden, wobei die 600 Quadratmeter im Erdgeschoss für eine teilöffentliche Nutzung vorgesehen sind – etwa als Restaurant, Galerie oder Bar, was die Europacity gut gebrauchen könnte. Allerdings befindet sich das Gebäude derzeit noch in der Vermarktung. Welche Nutzer*innen tatsächlich einziehen und ob das Erdgeschoss dann nicht doch ein Showroom oder Konferenzbereich wird, ist also noch nicht entschieden. (fh)
Fotos: Tjark Spille
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Baumeister | 22.06.2023 19:25 UhrBlödsinn
...natürlich hat man es selbst in der Hand und bemüht sich, ein Blick auf die umgebende EUROPACITY zeigt aber die Realität unserer Profession....