Ein altes Industrieareal, mit Hallen und Silos bebaut und von einer Hochstraße durchschnitten, wofür könnte das wohl zu gebrauchen sein? Zum Beispiel für eine Zirkusschule, wie man in der nordostfranzösischen Kleinstadt Châlons-en-Champagne antworten würde. Seit 1985 besteht dort das Centre national des arts du cirque (CNAC), das nun an einem neuen Standort stark erweitert wurde. Anstatt die alten Gebäude abzureißen, haben sie die Architekten Caractère spécial § Matthieu Poitevin Architecture aus Marseille zusammen mit dem Pariser Büro NP2F architectes einfach in Proberäume und Manegen verwandelt.
Das Gelände liegt an einem alten Kanal und wurde als Lagerstandort für Dünger und anderes Gefahrengut wegen Sicherheitsbedenken bezüglich der Nähe zur Straße aufgegeben. Die Architekten sanierten mit einfachen Mitteln den Bestand und ergänzten ihn um ein neues Hauptgebäude und ein kleines Wohnheim. Der Neubau mit seiner zentralen, viele Meter hohen Trainingshalle besteht aus einer simplen Rahmenkonstruktion aus Sichtbeton. Dies zeugt einerseits von Pragmatismus, andererseits schwärmen die Verantwortlichen aber auch von der archaischen ästhetischen Qualität ihrer Lösung. Neben den Bauten nördlich der Straße entstanden auf dem südlichen Abschnitt mehrere Veranstaltungsräume.
Trotz der großen Mühen, die für den Erhalt der alten Gebäude aufgebracht wurden, sollte eine allzu museale Anmutung des Ensembles vermieden werden. Architektonisch wird dies durch einen einfachen Trick erreicht, der trotzdem die Geschichte des Geländes nicht verschweigt. Alle Gebäude, alte wie neue, wurden mit Wellplatten aus Faserzement verkleidet, was einerseits für Abstraktion sorgt, andererseits aber auch an die rein funktionale Gestaltung alter Lagerhallen denken lässt. Die Zirkusschule ist damit kein typisches Beispiel für eine allzu geschmackvolle postindustrielle Transformation, sondern sowohl hinsichtlich des Programms wie auch der Ästhetik ein junger und mutiger Ort. (sb)
Fotos: Christophe Manquillet, Sebastien Normand
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