Im niederländischen Utrecht wird derzeit ein gut 4,5 Hektar großes, ehemaliges Bahngelände nördlich des Hauptbahnhofs in ein gemischtes Stadtquartier transformiert. 2016 hatten die Landschafts- und Stadtplaner von DELVA gemeinsam mit dem Architekturbüro Studioninedots (beide Amsterdam) den Wettbewerb für den Masterplan gewonnen. Bislang wurde vor allem abgerissen und umgegraben, hier und dort sind bereits Wohnungsneubauten zwischen die Reste der industriellen Nutzung gestellt worden. Nun ist auch der erste größere Umbau eines historischen Gebäudes fertig, das einen zentralen Baustein des ersten Bauabschnitts bildet. Die Pläne für den Umbau stammen ebenfalls von Studioninedots.
Es handelt sich um eine Werkhalle der staatlichen Bahnbetriebe, in der besonders große und schwere Teile für den Gleis- und Streckenbau gefertigt wurden. Das Bauwerk besteht insofern hauptsächlich aus einem einzigen, weit gestreckten Raum von 70 mal 42,5 Metern mit einer durchgängigen Höhe von 6,20 Metern bis zu den untersten Trägern des offenen Dachstuhls und knapp 10 Metern bis in den First. Da die Nebengebäude abgerissen wurden, kann der nunmehr frei stehende Industriebau mit seiner prägnanten Dachform aus aneinander gereihten Satteldächern und auf den Firsten aufgesetzten Lichthauben als künftiges Wahrzeichen des neuen neue Stadtteils „Wisselspoor“ fungieren. Dieser ist autoarm geplant, private PKW, Car-Sharing-Angebote und Fahrradstellplätze sollen daher in Mobilitätshubs zusammengefasst werden.
Der Masterplan hatte bereits festgelegt, dass der Standort der Werkhalle günstig für einen solchen Mobilitätshub in Form eines zentralen Parkhauses sei. Die Architekt*innen stellten den 46 Meter langen, 24 Meter breiten und 15,60 Meter hohen Baukörper mitten in die alte Halle. Damit ragt der Neubau deutlich sichtbar über diese hinaus. Wie im Video unter dieser Meldung zu sehen ist, musste dafür einiges an Dachwerk abgebrochen werden. 175 Stellplätze finden in dem Viergeschosser Platz. Als Fassadenmaterial wählten Studioninedots gelochte und gebogene Metallpaneele, die dem Volumen eine rätselhaft anmutende, skulpturale Qualität geben und auch innen eine rigide Abtrennung zu den weiten Räumen der alten Halle bilden. Die Architekt*innen sprechen dabei von einem „Vorhang“, dem sie durch die unterschiedliche Breite der Paneele einen Rhythmus verleihen. Die Etagen des Parkhauses dahinter sind jedenfalls nicht in der Fassade ablesbar. So soll diese Hülle dem Neubau eine „Maßstabslosigkeit“ geben, ihn als abstraktes, schimmerndes Objekt kleiner und weniger massiv erscheinen lassen, als er tatsächlich ist.
Im Inneren der alten Halle blieben zudem etliche Relikte der alten Nutzung wie Kranbahnen, Rohre, Leitungen und Schaltkästen bewahrt, ebenso die offene Untersicht der einfachen Dachkonstruktion. Das Mauerwerk wurde ausgebessert, dabei zeigen die Wände aber innen wie außen noch Spuren der gut 100 Jahre langen industriellen Nutzung. Fenster und Türen wurden größtenteils geöffnet und mit neuen, großformatigen Glaselementen bestückt, um möglichst viel Tageslicht ins Innere zu holen. Noch ist unklar, was genau in der Halle in Zukunft geschehen wird. Sie könnte ein urbanes Zentrum werden, in dem „alles passieren kann“, was die Gemeinschaft des neuen Stadtquartiers sich vorstellt oder braucht: Nachbarschaftsinitiativen beispielsweise, kreative Unternehmen, Co-Working oder ein Restaurant. „Der Raum soll die Sinne stimulieren und einladen, sich eigene Nutzungen dafür auszudenken.“ (fh) Fotos: Sebastian van Damme