Die Geschichte des Rathauses von Leiden reicht bis ins 14. Jahrhundert. Seine heutige Gestalt allerdings geht im Wesentlichen auf einen Brand im Jahr 1929 zurück. Damals sollen die Temperaturen auf minus 14 Grad gefallen sein, weshalb die Rathausangestellten die Kohleöfen über Nacht brennen gelassen und ein verheerendes Feuer ausgelöst hatten. Alleine die Renaissance-Fassade von 1595 an der Breestraat konnte wiederaufgebaut werden. Dahinter errichtete man ab 1935 ein modernes Gebäude nach Entwürfen des Architekten Cornelis Blaauw, mit einem Tragwerk aus Stahlbeton und Fassaden aus Backstein. So hat das Rathaus heute zwei Gesichter: die Renaissance-Fassade und eine wuchtig neoklassizistische Backsteinfassade zum rückseitigen Flussufer und zum Fischmarkt.
Im Inneren hatte Blaauw das Rathaus als ein zusammenhängendes Ganzes um zwei Höfe entworfen. Die Innenräume bieten eine überraschende Pracht: Fußböden und Wandverkleidungen aus Marmor, Stuckdecken, Parkettböden, holzgetäfelte Wände und Decken mit allerlei Intarsien, darunter sogar Werke von M.C. Escher. Nach Jahren der intensiven Nutzung und mehreren Umbauten stand eine Renovierung des Gebäudes an. Den 2017 ausgeschriebenen Wettbewerb für Restaurierung, Sanierung und Umbau gewann Office Winhov (Amsterdam).
Der Entwurf machte Blaauws Anbau zum Hauptbezugspunkt. Gleichzeitig wollten die Architekt*innen die vielfältige Geschichte im Gebäude sichtbar lassen und die räumliche Organisation verbessern. So wurde der Ausschusssaal an einen repräsentativen Ort in einem der Querflügel untergebracht. Die nun flexibel teilbaren Großraumbüros der städtischen Verwaltung zogen in die Dachgeschosse, wo die Tragstruktur aus Beton sichtbar gemacht wurde.
In den bestehenden Räumen wurden vor allem spätere Einbauten entfernt. Ansonsten habe man sich am Original orientiert, heißt es von Office Winhov. Die Logik der marmornen Bauteile habe man mit Terrazzo fortgeführt oder ergänzt. Wie die alten haben auch die neuen Repräsentationsräume Holzfußböden. Tapeten setzen den Rhythmus der ursprünglichen Vertäfelung fort. Der vom Dach befreite Innenhof wurde zum hortus conclusus mit einem Tulpenbaum.
Die einzige von außen sichtbare Zutat von Office Winhov steht vor der nordöstlichen Ecke des Rathauses, am Fischmarkt. Dort ist ein schmaler Lastenaufzug vor einen Seitengiebel gestellt und mit einer profilierten Backsteinfassade versehen worden. Gegenüber, die Einfahrt für Lieferanten rahmend, steht ein Pavillon mit öffentlicher Toilette, ebenfalls aus rotem Backstein und mit profilierten Metalltüren in hellem Senfgelb. So haben selbst diese Funktionen noch einen gestalterisch Zusammenhalt bekommen. (fh)
Fotos: Stefan Müller, René de Wit
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Hinrich Schoppe | 18.03.2024 16:09 UhrIrre
Die Niederländer zeigen uns einmal mehr, welchen Anspruch und welches Ansehen offenbar Kommunen in ihrem Land haben.
Die Stadt hat etwas über 130.000 Einwohner!
Da kann sich ein deutsche Stadt schon strecken, dass sie überhaupt noch ein Rathaus behalten darf...
Die Opulenz der Ausführung würde bestenfalls noch als Anmaßung der Denkmalpflege und Verschwendung von Steuergeldern gebrandmarkt, dass man ja für viel wichtigere Dinge braucht...
Armes armes Deutschland.