Ein altes finnisches Sprichwort besagt: Wenn Sauna, Wodka und Teer nicht mehr helfen, dann ist die Krankheit tödlich. Entgegen bestimmter Assoziationen, die man gemeinhin zu Teer hat – wie dem eher unangenehmen Geruch frisch geteerter Straßen oder den verstörenden Bildern von Teer-Ablagerungen geschwärzter Raucherlungen –, gilt Teer, und zwar Naturteer, in Finnland traditionell als Allheilmittel für verschiedene körperliche Beschwerden. Aus dem Hausmittel entwickelte sich im 19. Jahrhundert ein wichtiges Industrieprodukt und Finnland wurde weltweit der Hauptexporteur von Teer.
Mit ihrem architektonischen Vorschlag „Tervatynnyrit“ (Teerfässer) für ein Transporthub im nordfinnischen Oulu, versuchen sich die Helsinkier Architekten Lahdelma & Mahlamäki und die ortsansässigen Arkkitehdit m3 Oy an einer Reminiszenz an Oulus Blütezeiten im 19. Jahrhundert. Damals war die Stadt einer der führenden Teer-Exporthäfen der Welt. Auf der Suche nach einer „prägenden und attraktiven Identität“ für das Entwicklungsgebiet an der Schnittstelle zwischen der dichteren Altstadtbebauung und der kleinteiligen Bebauung des Puu-Raksila-Viertels wird sich Oulus einstiger Rolle als „Stadt des Teers“ bedient – zumindest rhetorisch.
Denn dass der Gebäudekomplex aus Wohnbebauung, einem Umsteigepunkt von öffentlichem Nahverkehr zum Zug-Fernverkehr und Bürogebäuden rein programmatisch wiederrum recht wenig mit der ehemaligen Teerindustrie zu tun hat, liegt natürlich auf der Hand. Es sind eher die zwei parabolischen Bögen, mit denen sich – bei gutem Willen – eine formale Referenz zu den Teerfässern von damals konstruieren lässt. Ähnlich wie bei MVRDVs Rotterdamer Markthal überspannen diese Bögen beheizte Hallen und beherbergen in ihrer Extrusion einen Teil des Programms. (df)