Die kleine, ländliche Gemeinde Lošany liegt rund 60 Kilometer östlich von Prag. Sie ist verbunden mit dem Namen der Familie Mašín, der drei bedeutende Akteure der tschechischen Widerstandsbewegungen im 20. Jahrhundert entstammen. Mitglieder der Familie kämpften gegen die österreichisch-ungarische Monarchie im Ersten Weltkrieg, gegen den Nationalsozialismus während des Zweiten Weltkriegs sowie gegen das kommunistische Regime nach 1945.
Nachdem das über lange Zeit enteignete, bäuerliche Anwesen 2017 wieder in den Besitz der Familie übergegangen war, gründete Zdeňka Macnová einen Verein, um hier zur Erinnerung an ihren Vater Josef Mašín und ihre Brüder Ctirad Mašín und Josef Mašín jun. eine Gedenkstätte zu errichten. Mit dem Entwurf für das Denkmal dreier Widerstandsbewegungen in den historischen Gebäuden beauftragte sie das in Prag ansässige Architekturbüro IXA. 2022 wurde das Projekt fertiggestellt und die Ausstellung eröffnet.
Der Hof entstand um die Jahrhundertwende in Nachbarschaft zum kleinen Schloss in Lošany. Die Anlage besteht aus einem kleinen Haupthaus und einem größeren, lang gestreckten Wirtschaftsgebäude. Beide wurden im Lauf der Jahrzehnte stark überformt. Das ehemalige Wirtschaftsgebäude nimmt jetzt die Ausstellungsflächen auf und bietet Raum für Veranstaltungen. Insgesamt verfügen beide Gebäude über eine Fläche von etwas mehr als 1.000 Quadratmetern.
Das kleine Wohn- und Geburtshaus von Josef Mašín bildet die eigentliche Gedenkstätte. Die Architekt*innen bauten das marode Gebäude bis auf seine ursprüngliche Struktur aus Mauerwerk und Gewölberäumen zurück. Diese wurden anschließend mit einer Hülle aus Spritzbeton versehen, die den Bestand stabilisiert und die authentische Grundstruktur „mumifiziert“.
Im Inneren besteht die Gedenkstätte aus drei aufeinander folgenden Räumen. Im ersten kann man den Abschiedsbrief lesen, den Josef Mašín vor seiner Hinrichtung 1942 an seine Frau und Kinder schrieb. Im zweiten Raum symbolisieren drei Öffnungen in der gewölbten Decke mit farbigen Verglasungen den Freiheitswillen. Der dritte Raum zeigt sich als offener Hof. Der hier gepflanzte Maulbeerbaum symbolisiert Freiheit und Hoffnung und soll allmählich über die Mauern hinausragen. (uav)
Fotos: Benedikt Markel
Zum Thema:
Das Denkmal war unter den Finalisten des Tschechischen Architekturpreises 2023.
Mehr zum besonderen Einsatz des Spritzbetons bei diesem Projekt findet sich auf unserer Webseite Baunetz Wissen.
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jenatsch | 28.08.2024 16:59 UhrWiderstand?
Eine nichtarchitektonische Ergänzung: Zumindest bei der 3. Generation ist beim Begriff "Widerstand" Vorsicht geboten. Wikipedia schreibt dazu: "In Tschechien wird bis heute kontrovers diskutiert, ob die Taten der Brüder Mašín als heldenhafter Partisanenkampf oder als Straftaten zu bewerten sind." Insgesamt erschossen sie 7 Menschen, mindestens 3 weitere kamen durch Eigenbeschuss der Sicherheitskräfte ums Leben, weitere 3 durch vollstreckte Todesurteile. Es wäre interessant zu wissen, inwieweit vor Ort auf diese Vielschichtigkeit eingegangen wird. Oder ob die Überdeckung mit Spritzbeton sinnbildlich für die Inhaltlichkeit ist.