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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Transformation_des_ehemaligen_Restaurants_im_Spreepark_Berlin_von_modulorbeat_8062683.html

20.01.2023

Als der Westen im Osten baute

Transformation des ehemaligen Restaurants im Spreepark Berlin von modulorbeat


Es ist eine beliebte Floskel des Wissenschaftsbetriebs, zu betonen, dass bei einem Thema „dringender Forschungsbedarf“ besteht. Für die Planungsgeschichte des Schnellrestaurants im Berliner Plänterwald aus dem Jahr 1968 gilt das jenseits aller Floskelhaftigkeit tatsächlich und ganz unbedingt. Das Projekt im ehemaligen Ostberliner Vergnügungspark „Kulturpark Plänterwald“ stammt nämlich von einem Westberliner Architekturbüro – dem Planungskollektiv Nr. 1.

Das im Kontext der 1968er-Bewegung und der Gruppe 507 an der TU Berlin gegründete PLK1 trug zwar den kollektiven Gedanken programmatisch im Titel und war politisch klar links zu verorten. Trotzdem erstaunt es doch sehr, dass es sieben Jahre nach dem Mauerbau und auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs beauftragt wurde, im Ostteil der Stadt zu bauen. Mit den Gründen dieser ungewöhnlichen Konstellation hat sich die Architekturgeschichtsschreibung bisher nicht auseinandergesetzt.

Für das PLK1 war der Auftrag im Plänterwald das erste realisierte Projekt überhaupt. Der eingeschossige Flachbau der „Planungsgenossen“ Gerhard Spangenberg, Martin Goepfert, Jonas Geist, Helmut Maier, Heiner Moldenschardt, Peter Voigt und Hans Wehrhahn basierte auf dem Raumfachwerksystem Mero, was die Zusammenhänge weiter verkompliziert. Denn warum lud die DDR im Wettstreit der politischen Systeme die Konkurrenz von jenseits der Mauer ein, um im einzigen Vergnügungspark des Landes die Leistungen eines westdeutschen Systembaus zu präsentieren? Immerhin gehörte das industrialisierte Bauen zum architektonischen Markenkern des Ostblocks.

Sprung in die Nachwendezeit: 1991 wurde der VEB Kulturpark Plänterwald durch den Senat abgewickelt. Ein westdeutscher Schausteller übernahm das Gelände unter dem Namen Spreepark. 2001 meldete das Unternehmen Insolvenz an, ein Jahr später schloss der Vergnügungspark. Seit 2016 ist die landeseigene Grün Berlin GmbH für die Neukonzeption der Anlage verantwortlich. Aus dem Gelände soll „ein einzigartiger Park werden, der mitten in schützenswerter Stadtnatur Kunst zum Erlebnis macht und wieder zu einer kulturellen Institution in der Hauptstadt avanciert.“ Unter anderem werden das Riesenrad und das historische Eierhäuschen erneuert. 2026 soll der neue Spreepark eröffnen.

Im Zuge der Entwicklung des Parks wurde im letzten Jahr das Restaurant des PLK1 durch modulorbeat (Münster) „transformiert“ – wobei das Wort Transformation die Art des Eingriffs ziemlich gut trifft. Das stark ruinöse Haus wurde bis auf die Mero-Dachkonstruktion rückgebaut und in kräftigem Enzianblau gestrichen. Unter die offene Struktur platzierten die Planer*innen acht lange Bänke und hängten drei Vorhänge auf. An zwei Stellen wurden transluzente Wellplatten auf die Konstruktion montiert.

Der Umbau stellt eine temporäre Nutzung dar, das Projekt wird von modulorbeat passenderweise als Blaue Stunde bezeichnet. Damit spielen sie auf den Zustand des Dazwischens und die unbestimmten Übergänge zwischen Park und Halle, innen und außen an: „Das ist eigentlich keine Architektur mehr, sondern das ist ein Park, der in einem Architekturfragment stattfindet.“

Das Projekt von modulorbeat basiert auf dem Masterplan für die Entwicklung des Parks von Latz + Partner (Kranzberg), Riehl Bauermann + Partner (Kassel) und LOMA (Kassel) aus dem Jahr 2016/17, in dem die Programmierung des ehemaligen Schnellrestaurants als offene Halle vorgeschlagen wird. Im Gegensatz zum realisierten Eingriff von modulorbeat schwebte den Autor*innen des Masterplans vor, die Mero-Konstruktion etwas anzuheben, voll zu überdachen und noch stärker mit raumbildenden Vorhängen auszustatten. (gh)

Fotos: modulorbeat / Jan Kampshoff

[Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version des Textes wurde der Masterplan nicht erwähnt. Wir haben die Angaben ergänzt.]


Zum Thema:

Webseite von Grün Berlin zum geplanten neuen Spreepark: spreepark.berlin


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