Früher konnten sich die Besucher*innen von Brixen in einem eingeschossigen Pavillon über das touristische Angebot informieren. Dessen knallige Farbe sorgte zwar für Aufmerksamkeit, kontrastierte aber auch ziemlich mit der Nachbarschaft. Ein Neubau am gleichen Ort geht nun den umgekehrten Weg. Die Farbigkeit ist gedeckter, die Formensprache dafür deutlich spektakulärer. Warum dies besser funktioniert, zeigt sich beim Praxistest im Südtirol-Urlaub.
Von Gregor Harbusch
Dass Bauten in der Realität oft nicht so aussehen wie auf Fotos, ist bekannt. Und dass gute Fotograf*innen aus einem Projekt ein Maximum herausholen können, versteht sich von selbst. Bei der neuen Touristeninformation in Brixen schoss der Fotograf aber über das Ziel hinaus. Was hier an spektakulären Perspektiven geliefert wird, hätte es gar nicht gebraucht. Eine entscheidende Qualität des Entwurfs von MoDus Architects (Brixen) tritt dadurch nämlich etwas in den Hintergrund: Das Haus fügt sich trotz seiner sehr individuellen Form gekonnt in die heterogene Struktur am Rande der Altstadt ein. Mehr noch: Der Sichtbetonmonolith leistet sich nicht nur einen starken Auftritt, sondern ordnet die Umgebung auf geradezu selbstverständliche Weise neu.
Diese Platzsituation, die immerhin den historischen Bischofssitz direkt hinter der Touristeninformation umfasst, hat auf den ersten Blick wenig mit dem zu tun, was man sich unter einem pittoresken Südtiroler Städtchen vorstellt. Historistische Villen, eine wenig gelungene Einkaufspassage aus den späten 1990er-Jahren und ein strenger Institutsbau der Universität stehen den Altstadthäusern gegenüber. Der Neubau besetzt auf einem dreieckigen Restgrundstück die Mitte und macht sich um die Integration aller Teile verdient. Das gelingt auch, weil das Haus dank seiner Zweigeschossigkeit deutlich mehr Präsenz mitbringt als der Vorläuferbau.
Das Projekt mit 430 Quadratmetern Bruttogrundfläche wurde im September letzten Jahres eröffnet und geht auf einen Wettbewerb aus dem Jahr 2016 zurück. Das Erdgeschoss ist weitgehend öffentlich und wendet sich an die Besucher*innen der Stadt, die hier in elegantem Ambiente die üblichen Informationen und Faltblätter erhalten. Die weiten, raumhohen Glasflächen erlauben nicht nur reichlich Ausblicke, sondern verschaffen dem Haus auf Straßenniveau eine überzeugende Transparenz, die mit den schweren Betonwänden kontrastiert. Im Obergeschoss liegen Büros. Hier arbeiteten MoDus Architects mit unregelmäßigen, gerundeten Fensterformen, die an die 1970er-Jahre erinnern und gerade deswegen etwas modisch erscheinen.
Laut Aussage der Architekt*innen bezieht sich der Entwurf mit seinen Kurvungen auf die Form zweier Bauten am Rande des Schlossgartens: Der Chinesische und der Japanische Pavillon haben das Projekt ebenso beeinflusst wie die große Platane, um die herum das Haus gebaut wurde. Diese Geste gibt dem Projekt auch seinen Namen: TreeHugger. Dieses Label hätte es aber ebenso wenig gebraucht wie die spektakulären Kamerablicke. Denn letztlich hat die mineralische Körperlichkeit des Hauses mit seinen Auskragungen und Bögen viel mehr mit den jahrhundertealten Steinhäusern Brixens zu tun, als man im ersten Moment vielleicht vermutet. So gesehen ist das Haus ein selbstverständliches Weiterdenken der vernakulären Architektur der Gegend. (gh)
Fotos: Oskar Da Riz
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Andreas Gottlieb Hempel | 03.03.2020 16:42 UhrTouristeninformation Brixen
Der Vorgängerbau von Altmeister Othmar Barth war ein transparenter, sehr eleganter Stahlbau, der sich eingeschossig bescheiden vor der Residenz-Hofburg duckte. Ganz anders als das Betongroßmaul ( as auf den Fotos schon richtig herauskommt!), das sich großkotzig vor die Residenz schiebt. Modus sind keine schlechten Architekten - aber auch den Besten können solche Entgleisungen gelingen, nicht nur mit den modischen Rundfenstern. Aber der Klotz ist ein Paradigma für den "Overtourism" der z.Zt. Südtirol heimsucht und auch die Stadtpolitik Brixen beherrscht. Othmar Barth kann sich nur im Grabe umdrehen. Schade!
Andreas Gottlieb Hempel