Das Werkstattgebäude der Stralauer Glashütte zählte in den späten Neunziger Jahren zu den ikonischen Industriebrachen Berlins. Vom S-Bahn-Ring aus gut sichtbar, stand es als Teil eines inoffiziellen urbanen Abenteuerparcours am Rande der gleichnamigen Halbinsel. Dass in dem Backsteinbau noch bis 1997 Flaschen produziert wurden, war diesem wild bewachsenen, leerstehenden Gelände in Ostberlin bald kaum mehr ablesbar.
Einige Jahre nach der Schließung der Glashütte erfolgte durch Jürg Steiner im Rahmen der Expo 2000 ein provisorischer Umbau, der auch darüber hinaus sporadische Zwischennutzungen ermöglichte. Studenten der TU Berlin versuchten später hier ein Eine-Welt-Zentrum einzurichten. Erst mit dem aktuellen Berliner Immobilienboom entwickelte sich jedoch das Klima für eine dauerhafte Nachnutzung. Eyrich Hertweck Architekten (Berlin) haben das Gebäude im Auftrag einer Baugruppe in 25 Wohnungen und eine Gewerbeeinheit transformiert. Die Baukosten werden mit 9.87 Millionen Euro angegeben.
Die denkmalgeschützte Architektur von 1923 besteht aus einem ausgemauerten Eisentragwerk, langen Fensterbändern und einem prägnanten genieteten Träger, der ein offenes Erdgeschoss überspannt. Ein Verladezug konnte das Gebäude somit unterqueren. Auf der östlichen Seite verstärken außerdem bis heute zwei Brücken den apparathaften Charakter des Gebäudes. Die Architekten sanierten behutsam den Bestand und stockten das Dach rückwärtig um ein Geschoss auf. Da sich diese Maßnahme teilweise in die Dachschräge integrieren ließ, blieb die horizontale Grundausrichtung des Gebäudes erhalten. Das einst offene Erdgeschoss wurde jedoch mit einer Zinkfassade geschlossen. Der Einschnitt blieb aber deutlich erkennbar. Ergänzt wurden außerdem Treppen an den Brückenbauten und mehrere Balkone in den oberen Geschossen.
Jenseits dieser grundsätzlichen, für die neue Nutzung wohl unerlässlichen Interventionen wurde die Bestandsarchitektur mit wohltuendem Respekt behandelt. Durch eine Kombination verschiedener Erschließungsformen – direkter Zugang von außen und Maisonetten an einem inneren Laubengang – konnte beispielsweise auf ein weiteres Treppenhaus verzichtet werden. Nur ein Aufzug wurde noch ergänzt. Die Materialität der Industriearchitektur mit ihren Spuren blieb somit in den öffentlichen Bereichen komplett erhalten. Auch in den Wohnungen ist die Geschichte deutlich ablesbar. Dank der Tragstruktur des Gebäudes ließen sich hier besonders freie Grundrisse verwirklichen. Eingestellte Sanitär- und Serviceboxen betonen zum Teil diese Flexibilität der Raumaufteilung.
Viel Aufmerksamkeit erhielt zudem die notwendige Ertüchtigung der Fassaden. Die historische, einfache Verglasung wurde nach außen rekonstruiert und im Inneren als Doppelkastenfenster mit integriertem Sonnenschutz und Isolierglas ausgeführt. In Teilbereichen wurde außerdem eine hinterlüftete Mauerwerksfassade eingestellt oder eine neue Fassadenschicht aus ökologischer Innendämmung ergänzt. (sb)
Fotos: Udo Meinel
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