Bei der Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen gibt es grundsätzlich zwei Ansätze: Entweder versuchen Staat und Kommunen, ein möglichst engmaschiges Netz von Angeboten direkt in den Nachbarschaften bereitzustellen, sodass die Versorgung der Betroffenen in die Lebenswelt der „Normalen“ integriert werden kann. Oder es werden großmaßstäbliche Versorgungseinrichtungen am Stadtrand geschaffen, wo es genügend Platz für entsprechende Neubauten gibt. Diesem zweiten Ansatz ist der Zorgcampus Rozemaai im Norden von Antwerpen zuzuordnen, den das lokal ansässige Büro Bovenbouw Architectuur geplant hat. Die Anlage entstand auf einem großen Grundstück am Antwerpener Stadtrand zwischen Wohnblöcken, Autobahnkreuz und den Ausläufern der Hafenindustriegebiete.
Größe und Programm der Anlage sind beeindruckend. Auf 19.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche ist hier ein Pflege- und Therapiezentrum für junge Erwachsene entstanden, kombiniert mit einer Grundschule für 158 Kinder und einer Oberschule für 130 Kinder mit mentalen oder körperlichen Einschränkungen. Mit diesem Maßstab galt es für Bovenbouw gestalterisch umzugehen. Sie sprechen von einem „vielarmigen Gebäude“, das sich nach allen Seiten ausstreckt. Dabei ordnet es den verschiedenen Programmpunkten immer einen eigenen, offen eingefassten Außenbereich zu.
So liegen die beiden Schulen im Westen und Norden um je einen Spielplatz, während sie sich einen gemeinsamen Haupteingang teilen. Jedes einzelne Klassenzimmer erhielt einen direkten Ausgang zu einem der Außenräume – entweder zu den geschützten Innenhöfen oder den umliegenden Flächen. Im Osten und Nordosten angeordnet sind die Angebote der Tagespflege (genannt Hotel Pimpernel), deren Höfe sich in Richtung der angrenzenden Wohngebiete orientieren. Südlich platzierten Bovenbouw die vier Wohngemeinschaften für dauerhaft Betreute. Jede Wohneinheit verfügt ebenfalls über einen eigenen Hof sowie ein eigenes Wohnzimmer und Küche. Im Zentrum der gesamten Anlage liegt der sogenannte „Begegnungshof“.
Kein Gebäudeteil ist höher als drei Stockwerke. Durch diese relativ flache Verteilung der Programm-Masse wollten Bovenbouw ein Gebäude schaffen, dass „für Benutzer und Besucher trotz seiner Größe nicht einschüchternd wirkt“. Zudem ermöglichten sie vielen Räumen, mitunter selbst den privaten Zimmern, direkte Zugänge zu den Außenräumen. Und auch jene Bereiche, für die das aus Sicherheitsgründen nicht möglich war, seien aufgrund einer Vielzahl an Aus- und Durchblicken mit der Landschaft und Umgebung verbunden, so die Architekt*innen.
Dass Holz hier das hauptsächliche Baumaterial bildet, begründet sich nicht nur aus einem kleinstmöglichen CO2-Fußabdruck, so Bovenbouw. Vielmehr bewirke es auch einen nachgewiesenen positiven Effekt auf die Gesundheit und das Verhalten aller, die hier leben, lernen oder arbeiten. Die Nettobaukosten werden mit 32 Millionen Euro angegeben. (fh)
Fotos: David de Bruijn, Filip Dujardin
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Über die vorbildliche neue Pflege-Architektur in ganz Flandern berichteten wir auch in der Baunetzwoche#617.
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