In den Ex-Jugoslawienstaaten scheinen die Bauten der Tito-Zeit heute vorwiegend unliebsame Erinnerungsarchitekturen zu sein. Die baulichen Überbleibsel des Realsozialismus werden da, wo Geld vorhanden ist, abgerissen. Wo keines ist, verfallen sie. Nicht so in Albanien. Fast 30 Jahre nach dem Ende der Volksrepublik Albanien erleben Gebäude, die unter der Diktatur von Enver Hoxha entstanden, scheinbar geradezu eine Renaissance: Zum Beispiel in der Hauptstadt Tirana, wo MVRDV die Pyramide des ehemaligen Hoxha-Museums umgestalten.
Auch Korçë, die 51.000 Einwohner zählende Stadt im Südosten Albaniens, unternimmt einiges, um die unter Hoxha entstandenen Kulturbauten wiederzubeleben – ebenfalls mit internationaler Hilfe. 2009 gewannen Bolles+Wilson (Münster) dort den Wettbewerb zur Neugestaltung der historischen Innenstadt. Mit ihrem Masterplan, der das städtische Leben bühnengleich inszeniert, fiel der Startschuss zu einer langjährigen beruflichen Verbindung mit dem Küstenstaat. Gemeinsam mit DEA Studio (Tirana) konnten sie nun die Umgestaltung des Theaters in Korçë fertigstellen.
Die Bühne, ursprünglich ein im sowjetischen Klassizismus gehaltener Kastenbau, war ein Geschenk Moskaus an die Stadt, die auch als „Wiege der albanischen Kultur“ bezeichnet wird. Nach dem Zerwürfnis mit der Sowjetunion wurde der Bau mit der Balkanvariante des Art Deko überformt. Der Bühnenraum sollte nun aktualisiert und dem Haus ein neues Gesicht gegeben werden. Mit der Zusammenfassung zweier Zuschauerebenen des Bestands zu einem schrägen Auditorium konnten Bolles+Wilson die Saalkapazität deutlich erhöhen. Den zweiten Teil des Auftrags nahmen die Architekten mehr als wörtlich. Vom lokalen Künstler Vasillaq Kolevica ließen sie 140 achtzig Zentimeter hohe Halbschalenportraits anfertigen. Dem Format der Art Deco Platten folgend, zieren „Köpfe“ des „Publikums“ die rotgestrichene Front des Theaters. Zudem wurden zwei übergroße No-Masken angefertigt. Die eine grinsend und konkav, aus weiß pulverbeschichtetem Stahl gearbeitet, die andere mit tragisch verzerrtem Ausdruck, konvex und aus schwarz bemaltem Styropor.
Am Ende des Boulevards, in direkter Nachbarschaft zur ebenfalls von Bolles+Wilson gestalteten roten Sky-Bar, sitzen nun die beiden gegensätzlichen Larven an der Theaterfassade, als wollten sie sagen: Alles hat immer zwei Sichtweisen. Und das ist für den baulichen Umgang mit der Geschichte des Landes sicherlich ein treffendes Bild. (kms)
Fotos: Bolles+Wilson, Roman Mensing
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Westen | 24.07.2018 17:55 Uhrfehlerhaft informiert
So generell, wie es hier im Einstieg formuliert ist, ist die Aussage zu den Bauten der Tito-Ära in Jugoslawien schlicht Unsinn.
Letztlich gehört ja sogar Plecnik noch in die Tito-Ära, aber auch die großen Ravnikar-Arbeiten etwa sind immer noch hochgeschätzt.