Das schwere reiter ist eine freie Spielstätte für Tanz, Theater und Musik. Formiert hat sie sich 2008 auf dem ehemaligen Kasernengelände am Münchner Leonrodplatz, das seit einigen Jahren von der Stadt unter dem Label „Kreativquartier“ entwickelt wird. 2018 lief die Nutzungsgenehmigung des Bestandsbaus ab, in dem sich das schwere reiter über Jahre zu einer festen Größe der Off-Szene etabliert hatte.
Da eine Sanierung des Bestands als zu teuer galt, wurde neben den unscheinbaren Altbau ein umso auffälligeres neues Haus gesetzt. Verantwortlich für die neue Spielstätte ist das junge, 2015 gegründete Münchner Büro Mahlknecht Herrle Architektur. Die Architekt*innen zeigten sich hier als pragmatische Entwerfer, die trotz knapper Ressourcen und straffem Zeitplan eine ruppige kleine „Landmark“ in ein Gelände setzten, in dem bis heute das entspannte Laissez-faire von Kunst, Kultur und Nachtleben in oft selbstorganisierten Strukturen herrscht.
Auffälligstes Merkmal des 1.050 Quadratmeter Bruttogrundfläche umfassenden und 3,6 Millionen Euro (brutto für die Kostengruppen 200 bis 700) teuren Theaterbaus ist die geradezu brachiale Fassade aus Spundwänden, wie sie in Baugruben und Häfen genutzt werden. Ob das „schön“ ist, sei dahingestellt, subtil ist es jedenfalls nicht. Aber es passt unbedingt zum Genius loci und zum temporären Charakter des Gebäudes, dessen Nutzung nach offiziellen Angaben auf zehn Jahre angelegt ist. Die Spundwände wurden bis zu 3,5 Meter in die Erde gerammt und fungieren zugleich als Gründung und Außenhülle.
Das Innere ist klar und schlicht geordnet. Es gibt ein Foyer, einen Aufführungs- sowie einen Proberaum und die üblichen dienenden Räume. Hinterbühne und Lager legen sich in Form von Korridoren um den zentralen Bühnenraum. Über die Konstruktion des Inneren schreiben die Architekt*innen: „Der Ausbau erfolgte losgelöst vom statischen System, wodurch die Flexibilität in der Anordnung der Räume und deren Nutzung gewährleistet wird. Die Wahl der Materialien fiel auf solide und robuste Baustoffe, die durch modulare Bauweise und hohen Vorfertigungsgrad zügig montiert werden konnten. Hinter den Spundwänden liegen bereits im Werk hergestellte Holzständerelemente.“ Ein schönes Detail ist die Verwendung der typischen Münchner Gehwegplatten in Foyer, Fluren und Korridoren.
Im April 2019 begannen die Planungen, ab Juli 2020 wurde gebaut, im September 2021 die Eröffnung gefeiert. Die Zukunft des Hauses und die räumlichen Perspektiven der Institution sind momentan noch offen. Vielleicht sichern die Spundwände in ein paar Jahren Baugruben in und um München ab? Im Sinne des ökologischen Kreislaufdenkens wäre das sicherlich schön. Noch schöner wäre es jedoch, wenn das sperrige rostige Ding noch etwas länger genutzt wird und dann irgendwann als „ewiges Provisorium“ vom alten kreativen Geist am Leonrodplatz erzählt. (gh)
Fotos: Oliver Jaist
Zum Thema:
Neben dem Neubau von Mahlknecht Herrle entstanden in München in der letzten Zeit weitere interessante Kulturbauten – vom gepflegten Volkstheater von LRO über das Gasteig-Interim von gmp bis zur außergewöhnlichen Zwischennutzung eines ehemaligen Betonwerks. Einen Überblick gibt Baunetzwoche#599 „Vom Werksviertel zum Sugarmountain. Neue Kulturorte in München“.
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Geist aus der Flasche | 23.06.2022 18:10 Uhr"wer hier von "Genius loci" faselt (sorry), hat leider keine Gespür für Materie."
Was Sie schreiben ergibt überhaupt keinen Sinn. Und das nicht nur aufgrund der Grammatik. Sorry.