Man könnte sich an der Publikation System & Serie. Systembau in der Schweiz – Geschichte und Erhaltung auch rein ästhetisch erfreuen. Schon die feine technische Zeichnung des MERO-Systems auf dem Cover macht neugierig. Auf den ersten Seiten blättert man dann gut gelaunt durch großformatige Aufnahmen serieller Schweizer Bauten bei meist strahlender Sonne. Dabei wird allerdings auch klar, aus welchem Grund Architekt*innen dieses Buch noch zur Hand nehmen könnten.
Denn zumindest hierzulande ist serielles Bauen – trotz seines häufig noch immer schlechten Rufs – in aller Munde. Das Bundesbauministerium um Klara Geywitz hat das „Serielle und modulare Bauen 2.0“ ausgerufen und 25 entsprechende Konzepte ausgewählt. Vorgefertigte Bauweisen sollen Teil der Lösung für den grassierenden Wohnraummangel sein. Unbedingt klarstellen wollte man auf der dazu kürzlich abgehaltenen Pressekonferenz jedoch, dass hier „keine Platten 2.0“ entstehen würden.
Das Bild – nicht nur das landläufige – von seriell präfabrizierten Gebäuden ist also noch immer vorurteilbehaftet. Dies zu ändern ist unter anderem das Ziel der ICOMOS Suisse, der Schweizer Unterorganisation des International Council on Monuments and Sites. Aus dessen Arbeitsgruppe „System und Serie“ ging die gleichnamige Publikation hervor. Gegenstand des dahinterstehenden, interdisziplinären Forschungsprojekts war einerseits die Geschichte des Schweizer Systembaus und andererseits die Untersuchung des langfristigen Erhalts, der Instandsetzung und Ertüchtigung der Bauwerke, die vorrangig ab der Mitte des 20. Jahrhunderts errichtet wurden.
Zweierlei findet sich nun in dem Buch. In kurzen Essays oder Interviews werden Architekturgeschichte, Soziologie, Konstruktion, Bauphysik, Statik und Denkmalpflege des Systembaus behandelt. Die Texte sind leicht verständlich und bringen die Eigenheiten der Bauweise auf den Punkt. So schreibt etwa Lucia Gratz in ihrem Essay: „Die Schönheit lag in der Reinheit des industriellen Gedankens, in der Ökonomie der Mittel und in der sichtbaren technischen Perfektion.“
Zwischen diesen Kapiteln gibt es Portraits von Schweizer Herstellern inklusive je einem in der Schweiz errichtetem, entsprechenden Bau – insgesamt 18 an der Zahl. Hier wird es durchaus inspirierend. Vorgestellt werden etwa die Großtafelbausysteme der Element AG und Göhner, das Stahlbausystem Haller, das Kugelknoten-Raumfachwerk von MERO oder der Exportschlager von Variels Raumelementen. Abgerundet wird das Ganze durch ein umfassendes Werkverzeichnis. In diesem Inventar sind „alle zum Zeitpunkt der Drucklegung bekannten, in der Schweiz realisierten Systembauten tabellarisch erfasst“, schreiben die Autor*innen.
Die Publikation passt gut zu derzeitigen Debatten. Nicht ohne Grund wurde sie mit einem DAM Architectural Book Award 2023 ausgezeichnet. Auch die Forderungen nach Flexibilität, Erweiterbarkeit oder Demontierbarkeit im Rahmen sozialer und ökologischer Herausforderungen machen sie aktuell. Wer also Lösungen für die multiplen Krisen aktueller Couleur im seriellen Bauen sieht, der kann in diesem Buch ruhig mal nach- oder abschauen.
Text: Maximilian Hinz
System & Serie. Systembau in der Schweiz – Geschichte und Erhaltung
Herausgegeben von ICOMOS Suisse, Arbeitsgruppe System & Serie
Gestaltung: Nadine Rinderer
208 Seiten
gta Verlag, Zürich 2022
ISBN 978-3-85676-428-9
49 Schweizer Franken
Zum Thema:
Baunetz CAMPUS hat sich dem Forschungsprojekt „System und Serie“ im Rahmen der Focus-Ausgabe „Soziale Grundrisse“ gewidmet.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
Kritiker | 30.11.2023 07:16 UhrEnttäuschend...
Das Buch ist mal wieder so ein Schweizer Coffee-Table Book. Ist mehr wie eine Studentenarbeit in der man Systeme gesammelt hat ohne sie zu verstehen oder zu durchdringen. Nett gemacht vom Layout und der Bilderqualität aber inhaltlich sehr oberflächig. Der "große Text" ist eine Architekturideologische Bankrotterklärung.