Das neue Holocaust-Mahnmal in Ottawa trägt unverkennbar die Handschrift Daniel Libeskinds: Von oben gesehen, erinnert die knapp 2.000 Quadratmeter große begehbare Anlage, die das New Yorker Büro plante, sowohl an den Davidstern als auch an den dreieckigen Winkel, der im Dritten Reich Homosexuelle, Roma und Sinti und andere verfolgte Minderheiten öffentlich als geächtet und zur Vernichtung freigegeben markierte. Die Ortbetonwände des Memorials ragen steil in die Höhe, zerklüftet und zersplittert, wie Scherben, die in einer klaffenden Wunde stecken.
Auf dem Weg über das Gelände sind auf verschiedenen Ebenen drei Gedenkorte, ein Geschichtszentrum und ein zentraler Versammlungshof integriert. Monochrom schwarze Wandgemälde, den Fotografien Edward Burtynskys nachempfunden, zeigen Schauplätze der NS-Verbrechen in ihrem heutigen Zustand. Der so genannte Sky Void, ein turmartiger, dreieckiger Bau rahmt, wie oft in programmatisch verwandten Bauten von Studio Libeskind, einen Ausschnitt des Himmels. Dieser wird damit Teil der Dramaturgie des labyrinthgleichen Ensembles.
Direkt gegenüber des Canadian War Museums gelegen, soll das erste den Opfern des Nationalsozialsozialismus gewidmete Denkmal Kanadas den Museumsbau am Ufer des Ottawa Flusses mit dem historischen Zentrum der gleichnamigen Hauptstadt verbinden. Der Bau des Denkmals überrascht indes angesichts der Flüchtlingspolitik, die Kanada zur Zeit des Zweiten Weltkriegs noch betrieb: Rund 5.000 jüdische Asylsuchende nahm Kanada in den Kriegsjahren auf, eine auffallend geringe Zahl. Im Vergleich: In die USA emigrierten zeitgleich 240.000 durch die Nationalsozialisten verfolgte Menschen. Erst nach 1945, und nachdem das Land einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, sorgte der hohe Bedarf an Arbeitskräften für eine deutliche Lockerung der Einreisebestimmungen.
Diejenigen zu ehren, die dem deutschen Schreckensregime entkommen konnten, um sich in Nordamerika eine neue Existenz aufzubauen, war ein weiterer Teil des Auftrags, den die kanadische Regierung vergeben hatte. Auch sollte ihr Beitrag zur dortigen Kultur anerkannt werden. So wichtig es nun aber ist, gerade in Anbetracht eines globalen Rechtsrucks die Erinnerung an die sechs Millionen Opfer der Nationalsozialisten wachzuhalten: Die Auslobung des Wettbewerbs, den Libeskind mit den Kulturmanagern von Lord Cultural Resources gewinnen konnte, zielt sicherlich auch darauf ab, den Ruf Kanadas als Einwanderernation, wie wir sie heute kennen, zu untermauern. (kms)
Fotos: Doublespace
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