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24.08.2005
Kein Kommerz
Studie zu Berliner Schloss - mit Kommentar der Redaktion
Am 24. August 2005 stellte die Bundesregierung eine Machbarkeitsstudie zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses vor, die in ihren wesentlichen Aussagen bereits am 20. August in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) veröffentlicht worden war.
Die von zwei Beratungsfirmen und dem Berliner Architekturbüro Hemprich Tophof vorgelegte Studie trifft Aussagen zur Vereinbarkeit von Nutzungsideen mit der historischen Fassade sowie zur Finanzierbarkeit des Neubauvorhabens.
Demnach wären privatwirtschaftliche Nutzungen wie Büros oder Shopping Malls wegen der Fensterachsen, Raumtiefen und Geschosshöhen ökonomisch unrentabel. Lediglich Luxushotel und Tiefgarage betrachten die Gutachter für Teilbereiche des Komplexes als sinnvoll.
Zur Finanzierung wird ein Public Private Partnership-Modell vorgeschlagen, bei dem der Bauherr Bund wie ein Leasingnehmer jährlich „nur“ etwa 40 Millionen Euro zahlen soll - das allerdings dreißig Jahre lang.
Kommentar der Redaktion:
Heinrich Wefing hat in der FAZ völlig richtig erkannt: Die Baukosten der Schlossplatzbebauung werden dann viel höher sein, wenn die drei historischen Fassaden nachgebaut werden. Und zwar nicht nur, weil die pseudobarocken Fassaden per se teurer zu bauen sind als „normale“ (hier rechnen Schlossbefürworter nur mit moderaten Mehrkosten), sondern auch, weil sich bestimmte renditeträchtige Nutzungen in der historischen Hülle aus architektonischen und ökonomischen Gründen ausschließen. Das ist die zentrale Erkenntnis dieser Studie eines seriösen Architekturbüros: Hinter barocken Fensterachsen lassen sich keine modernen Büros organisieren. Die Privatwirtschaft wird sich also nur im geringen Maße an der Finanzierung (und der Nutzung) des Schlosses beteiligen, weil sie damit kaum Rendite erwirtschaften kann.
Hier atmen viele erleichtert auf: Keine schnöden gewerblichen Nutzungen (außer vielleicht ein - wenn auch völlig überflüssiges - Luxushotel) sollen diesen wichtigen Ort entweihen, sondern das Gutachten liest sich wie eine Bestätigung des vorgesehenen kulturellen Nutzungsmixes, der hauptsächlich von einem Museum und einer Bibliothek dominiert wird.
Viel näher liegend wäre allerdings ein weiterer Schluss: Der Schloss-Wiederaufbau wird noch teurer, als die Befürworter immer behauptet haben; eine Finanzierbarkeit damit noch utopischer als bisher schon. Das vorgeschlagene Leasingmodell ist Augenwischerei, es bürdet die Kosten nur den nachfolgenden Generationen (und Politikern) auf. Für die öffentliche Hand rechnet sich ein Geschäft, an dem Private Geld verdienen, schon aus simplen mathematischen Gründen niemals: Irgendwo muss das Geld, das diese verdienen, ja herkommen...
Die Folgerung kann nur lauten, auf diesen unsinnigen und unfinanzierbaren Schloss-Wiederaufbau zu verzichten - Bundestagsbeschluss hin oder her.
Die genannten Nutzungen braucht am Schlossplatz niemand; die außereuropäische Kunst aus Dahlem ist nun wirklich nicht das Bedeutendste, das die Berliner Museumslandschaft beizutragen hat. Nur, weil in Dahlem ein Gebäude marode ist, muss in Mitte noch lange kein Schloss gebaut werden.
Und die vielfältigen architektonischen und denkmaltheoretischen Gründe gegen einen nachahmenden Neubau sind ja noch nie überzeugend entkräftet worden: Hier soll ein historischer Zustand hergestellt werden, der - aus wichtigen geschichtlichen Gründen - seit einem halben Jahrhundert nicht mehr existiert. Das Schloss würde nicht die authentische Geschichtsspur „Berliner Schloss“ sein, sondern eine modern konstruierte Attrappe mit vorgeblendeten, „auf Alt“ gemachten Fassaden.
Derlei liegt zwar im Zeitgeist, leider zunehmend auch unter Architekten, wird dadurch aber nicht richtiger.
Lassen wir den Schlossplatz also liegen, bis neue Generationen von Architekten und Politikern den Mut haben, hier etwas Zeitgemäßes zu gestalten. Wie man die Zwischenzeit provisorisch überbrückt, hat das Architekturbüro Anderhalten kürzlich überzeugend gezeigt (siehe BauNetz-Meldung vom 9. 8. 2005): durch eine preiswerte „Winterfestmachung“ des vorhandenen Palastes der Republik als Schaulager der Museen.
Benedikt Hotze
Zum Thema:
Leserreaktionen auf diesen Artikel finden Sie in einer BauNetz-Meldung vom 25. 8. 2005
Eine kritische Interpretation der Machbarkeitsstudie finden Sie in einer BauNetz-Meldung vom 26. 8. 2005
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