Von Gregor Harbusch
Der Münchner Stadtrat hat gestern entschieden: HENN Architekten sollen das Münchner Kulturzentrum Gasteig umbauen. Was nach einer Entscheidung klingt, könnte sich jedoch als Schritt in Richtung rechtlicher Unsicherheit erweisen. Oder im schlimmsten Fall sogar zu einer jahrelangen juristischen – und millionenschweren – Lokalposse werden.
Bereits die Ausgangslage ist konfliktträchtig. Der Gasteig gilt als Deutschlands erfolgreichstes Kulturzentrum. Die weltbekannte Philharmonie, die Zentrale der Stadtbibliothek und der Hauptstandort der Volkshochschule haben hier ihren Sitz. Der Koloss aus Backstein, kristallinen Fenstern und Sichtbeton ist erfolgreich und für viele Münchner fester Bestandteil des Kulturlebens – gerade auch jenseits des hochkulturellen Musikbetriebs. Trotzdem wird das Haus in Medien und Politik seit Jahren schlechtgeredet. Dass eine Sanierung dringend notwendig sei, mag man gerne glauben. Dass dabei auch die Karte von der „perfekten Akustik“ gespielt wird, gehört wohl dazu. Dass die meisten Beiträge des Wettbewerbs, der im Mai entschieden wurde, einen Radikalumbau vorsehen, hat jedoch viele Freunde der Nachkriegsarchitektur mehr als erbost.
Drei erste Preise hatte die Jury unter Vorsitz von Volker Staab im Mai vergeben: Auer Weber Architekten (München), HENN (München, Berlin, Peking) und Wulf Architekten (Stuttgart) wurden aufgefordert, ihre Entwürfe bis zum Herbst nochmals zu überarbeiten. Der Realisierungswettbewerb war damit abgeschlossen und die Beteiligten gingen in ein Vergabeverfahren über. Vor kurzem kamen die Mitglieder des Preisgerichts in Form einer Bewertungskommission nochmals zusammen, um die überarbeiteten Projekte ein zweites Mal in architektonischer Hinsicht zu begutachten und anschließend eine Empfehlung an den Aufsichtsrat der Gasteig München GmbH zu geben. Dieser hatte bereits im Vorfeld beschlossen, die Entscheidung über den zu realisierenden Entwurf an den Stadtrat zu delegieren, ist doch die Gasteig GmbH eine Tochtergesellschaft der Stadt München. Gestern war es soweit: Offiziell wurde das Büros HENN in der Stadtratssitzung beauftragt, den Gasteig umzubauen. Verstimmung gab es schon davor, denn die Entscheidung wurde bereits letzte Woche in der Lokalpresse publiziert.
Der Knackpunkt an dieser Entscheidung ist aber ein anderer: HENN respektieren am ehesten den Bestand – und dürfen daher als Favorit von Eike Rollenhagen gelten, einem der vier Architekten aus der Architektengemeinschaft Raue Rollenhagen Lindemann Grossmann die das 1985 eröffnete Haus gebaut haben. Nicht mehr alle Beteiligten leben noch, doch Rollenhagen verfolgt das Geschehen umso genauer. Aus dem Gasteig ist zu hören, Rollenhagen sei ein „sehr angenehmer älterer Herr“, der sich bei der Sanierungsplanung lange im Hintergrund gehalten und gewünscht habe, dass der Umbau ein „großer Wurf“ werden würde. Auf die Wettbewerbsergebnisse im Mai reagierte er verhalten und legte schließlich ein 40-seitiges Dokument vor, in dem er kritische Überlegungen zum Umbau darlegte.
Aus einigen seiner öffentlich gewordenen Äußerungen ließ sich leicht schließen, dass Rollenhagen wohl nur den Entwurf von HENN gutheißen würde, da dieser die Materialität und Kubatur des Hauses am meisten respektiert. Genau deshalb haben Wulf und Auer Weber rechtliche Schritte ergriffen. Sie befürchten, die Bewertungskommission habe ihre Entscheidung nicht frei getroffen: Um das Risiko zu minimieren, dass der Urheber Rollenhagen gegen den Umbau klagen und diesen damit verzögern würde, sei die Wahl auf HENN gefallen. Eine verzwickte Situation also, mit drohenden Klagen von mehreren Seiten.
Gerhard Matzig hat gestern in einem lesenswerten Artikel in der Süddeutschen Zeitung von einer „Posse in Schilda, Ortsteil München“ gesprochen und damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Streiterprobte Gemüter mögen sich ob der potenziell anstehenden Auseinandersetzungen vielleicht freuen und darauf spekulieren, dass am Ende vieler Verzögerungen doch noch eine denkmalgerechte Sanierung stehen mag. Demgegenüber hofft Matzig, dass am Schluss die Vernunft aller Beteiligten die Oberhand gewinnen könnte und eine verträgliche Lösung gefunden wird.
Es wäre dem Gasteig zu wünschen, dass tatsächlich ein Kompromiss gefunden wird, der dem ursprünglichen Haus ein gutes Stück mehr Respekt entgegenbringt als bisher geschehen. Immerhin lässt sich Rollenhagen mit den Worten zitieren: „Das Kulturzentrum darf nur ertüchtigt, aber nicht grundlegend verändert werden“. Allerdings war nach dem Stadtratsbeschluss von Seiten der Alt-Architekten zu hören, dass man offen für Kompromisse sei. Man darf gespannt sein, was das genau bedeutet. Vertreten werden die Urheber vom Sohn des damaligen Partners Carl. F. Raue, Peter Raue – der praktischerweise Anwalt für Urheberrecht ist.
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max | 29.10.2018 21:07 Uhrdu vermutlich auch nicht,
sonst wärst du schon sehr alt.