Partizipative Planungsprozesse sind oft ein zweischneidiges Schwert. Nicht selten mühsam erkämpft, stellt der konkrete Planungsalltag oft eine anhaltende Überforderung aller Beteiligten dar. Für professionelle Planer*innen übersteigt der Mehraufwand schnell das Honorar. Und für alle anderen stellt sich das Problem, dass sie für ein bloßes Versprechen mit offenem Ausgang ihre Freizeit opfern sollen. Kein Wunder, dass Partizipation oft mit geringer Beteiligung zu kämpfen hat. Oder Kooperationsverfahren sogar mit dem Ausstieg ihrer engagiertesten Akteur*innen konfrontiert sind – wie jüngst im Falle des Dragonerareals, bei dem die Initiative Stadt von Unten, die das Projekt maßgeblich mitinitiiert und gestaltet hatte, inzwischen unter anderem aufgrund des ehrenamtlich kaum mehr zu bewältigenden Arbeits- und Kommunikationsaufwands ausgestiegen ist.
In München möchte sich die Kooperative Grossstadt demnächst bei ihrem nächsten Projekt – San Riemo steht bereits, Freihampton ist in der Umsetzung – bewusst solchen vielschichtigen Herausforderungen stellen. Auf einem kleinen Restgrundstück im innerstädtischen Haidhausen, das aufgrund von kommunalen Sanierungsmaßnahmen seit Jahrzehnten im städtischen Besitz war, soll ein kollektives Gemeinschaftswohnhaus mit teilweise öffentlichem Erdgeschoss entstehen. Das Grundstück konnte sich die Kooperative in einem öffentlichen Bieterverfahren sichern. Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Verein Gemeinwohlwohnen, der schon länger an der Planung und Finanzierung solidarischer Wohnformen arbeitet. Das Wohnprojekt in Haidhausen, das allen Menschen, insbesondere aber jenen, die zum Teil von Ausgrenzungen betroffen sind, offensteht, soll nach aktuellem Planungsstand rund 730 Quadratmeter Geschossfläche umfassen.
Die Kooperative ist Bauherrin, begleitet aber – personell getrennt – zugleich auch den ambitionierten Planungsprozess. Denn anstatt, wie bei den bisherigen Projekten in Riem und Freimann einen Wettbewerb durchzuführen, soll in Haidhausen nun erstmalig der von der Kooperative entwickelte, partizipative Planungsprozess OP-OD zum Einsatz kommen. Die Abkürzung steht für Open Plan Open Decision. Ein besonders zukunftsweisender Aspekt von OP-OD ist, dass die Mitwirkung von Anfang an vergütet sein wird: Für Ideenbeiträge pauschal, für die Entwicklungsarbeit zu angemessenen Tagessätzen.
Das Verfahren für den Neubau in der Metzgergasse trägt den Namen metso’metso und beginnt morgen, am 18. Januar 2022, mit einer Registrierungsphase für interessierte Planer*innen. Der eigentliche Prozess ist dabei weniger kompliziert, als es ein flüchtiger Blick auf die Schaubilder vermitteln mag. In drei freien, also für Laien ebenso wie Profis zugänglichen Ideenrunden werden zu spezifischen Fragestellungen Beiträge gesammelt, die dann von einem Entwicker*innen-Team über mehrere Zwischenergebnisse hinweg zu einem konkreten Planungsergebnis verarbeitet werden. Dieses Team besteht aus Vertreter*innen aller am Projekt beteiligter Interessensgruppen sowie natürlich auch Architekten, Fachplanerinnen und anderen Experten. Die Kooperative versteht ihr Verfahren als benutzbaren Prototypen mit Ziel der baldigen Serienreife, der auch bei anderen Projekten zum Einsatz kommen könnte.
Für die Metzgerstraße soll das Planungsergebnis in programmatischer kollektiver Autorenschaft bereits im Herbst 2022 vorliegen, danach ist die Umsetzung bis 2024 geplant. Wird das Verfahren den hohen Ansprüchen gerecht werden? Zumindest ist eine detaillierte wissenschaftliche Begleitung beantragt, die einen grundlegenden Erkenntnisgewinn für künftige partizipative Vorhaben verspricht. (sb)
Zum Thema:
Interessierte können sich ab morgen auf der Projektwebseite von metso’metso registrieren lassen:
www.metsometso.op-od.de.
Mehr zum Planungsprozess OP-OD auch unter
www.op-od.de.
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