Im Osten der belgischen Stadt Gent ist dieses Wohnungsbauprojekt auf einem ehemals industriell genutzten Gelände entstanden. Der malerische Name „Bijgaardehof“ bezieht sich dabei allerdings nicht auf die hier bis 1997 arbeitenden Betriebe der Textil- und Metallindustrie, sondern auf die Zeit im 16. Jahrhundert, in der das Gelände im Schatten der Stadtmauern als Bienengarten genutzt wurde.
Mauern prägen auch heute noch das Areal. 2009 hatte die städtische Wohnungsbaugesellschaft Sogent einen Wettbewerb für die Umgestaltung ausgeschrieben. Die Industriegeschichte sollte dabei ausdrücklich in Teilen erhalten bleiben, ebenso einige der inzwischen auf dem Gelände entstandenen Street Art-Kunstwerke. Den Wettbewerb gewannen Bogdan & Van Broeck (Brüssel). Die Architekten ordneten die 59 Wohnungen in drei Häusern auf der nördlichen Hälfte des Geländes an. Nach Süden, wo das dreieckige Grundstück spitz zuläuft, wurden die Backsteinmauern und die Metallstangen der alten Sheddächer gesichert und als neuer Teil eines städtischen Parks erhalten, der nach Süden anschließt: der „Bijgaardepark“.
Jedes der drei Gebäude ist als Baugemeinschaft in Teilen in direkter Zusammenarbeit mit den Bewohner*innen entwickelt worden, die sich über die Wartelisten der Sogent bewerben mussten. So verfügt jedes Haus auch über Gemeinschaftsräume mit Küchen, Arbeits-, Wohn- und Kinderspielbereichen, außerdem gibt es über das gesamte Gelände verteilt Wintergärten, Werkstätten und Gemeinschaftsgärten. Durch diese Einrichtungen ist eine für ein Wohnensemble außergewöhnlich lebendige Erdgeschosszone entstanden, welche die Architekten als verputzten Sockel (pigmentierter Kalkzementputz) gestalteten. Die sechs Wohngeschosse darüber wurden mit flämischem Backstein verkleidet, der sich in seiner Textur und Materialität auf die Backsteinwände der Fabrik bezieht, gleichzeitig aber mit einem deutlich helleren Farbspektrum auch einen neuen Akzent setzt.
Für die Architekt*innen Oana Bogdan und Leo Van Broeck ist das Projekt damit insgesamt repräsentativ für die dringende Notwendigkeit, gerade in Belgien qualitativ hochwertige, innerstädtische Alternativen zum Eigenheimbau anzubieten: Der Umbau eines ehemaligen Industriegeländes mit teilweise öffentlichen Grünflächen, das Unterstützen von Fahrrädern, E-Autos und öffentlichen Verkehrsmitteln, das Integrieren von gemeinschaftlich genutzten Angeboten – und das alles in einer preiswerten und dennoch attraktiven Architektur seien das Gebot der Stunde. Redaktionellerseits sei noch hinzugefügt: Das gilt übrigens nicht nur für Belgien. (fh)
Fotos: Laurian Ghinitoiu
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