Die Internationale Bauausstellung 2027 der StadtRegion Stuttgart (IBA’27) nimmt immer mehr Form an. Neben den derzeit 16 Projekten und Quartieren, die zu offiziellen Ausstellungsorten weiterentwickelt werden, finden sich zahlreiche „Vorhaben“ als Teil des sogenannten IBA’27-Netzes. Wie es die Verortung der IBA schon impliziert, liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung der Region und nicht nur auf der baden-württembergischen Landeshauptstadt selbst. Als Grundvoraussetzungen für die Aufnahme eines Vorhabens gelten „ambitionierte Nachhaltigkeitsziele, erkennbare Zukunftsfähigkeit, der Mut zur Offenheit und zum Experiment und der Wille, weiter zu gehen als gewohnt“.
Ein Vorhaben, das diese Kriterien erfüllt, stellt eine geplante Quartiersentwicklung auf einem 1,5 Hektar großen Areal in Schorndorf dar. Die Mittelstadt im Rems-Murr-Kreis rund 30 Kilometer östlich von Stuttgart hatte für ein derzeit lose gewerblich bebautes, ehemaliges Werksgelände nördlich des Bahnhofs im Frühjahr 2022 einen zweiphasigen, städtebaulichen und freiraumplanerischen Wettbewerb ausgeschrieben. An der Auslobung und der nun erfolgten Entscheidung wirkte die IBA’27 mit, ebenfalls gab es einen stark partizipativen Ansatz. Im Ergebnis lassen sich neue Parameter einer zeitgemäßen Quartiersentwicklung ablesen, die sich durchaus als beispielhaft erweisen könnte.
Geplant ist eine dichte Bebauung mit gemischter Nutzung, die jedoch auch ausreichend öffentlichen Raum schafft und den Fluss Rems, an dem das Areal unmittelbar angrenzt, explizit mit einbezieht. Der offizielle Projektname „Quartier der Generationen“ ist Programm. Der Gewinnerentwurf des Büros
Schürmann + Witry Architekten mit Stadtplanerin Miriam Stümpfl (beide Zürich) sowie Wolfgang Blank Landschaftsarchitekten (Stuttgart) schlägt eine bauliche Setzung vor, die das Motiv der Gasse aufgreift, in den Erdgeschosszonen Durchgänge zur Rems und Gemeinschaftsflächen sowie in den Obergeschossen vorwiegend eine generationengerechte Wohnnutzung vorsieht.
Auf Untergeschosse soll gänzlich verzichtet und die Bodenversiegelung zwischen den Gebäuden weitgehend minimiert werden. Auch ist eine quartiersintegrierte Energieversorgung mit Photovoltaik, Erdsonden, Wärmepumpen und Wasserspeicher projektiert, die, dem Juryurteil folgend, sogar gestalterische Relevanz haben könnte. Dank „intelligenter Grundrissorganisation“ soll dafür auf Gebäudeebene aufwendige Technik entfallen.
Zentraler Entwurfsbestandteil ist darüber hinaus eine flexibel anpassbare Gebäudestruktur, die sich die Nutzer*innen je nach Bedarf und auch langfristig neu aneigenen können – sei es in Form von Wohnungen für unterschiedliche Lebensentwürfe oder für Menschen mit Betreuungsbedarf, sei es für Co-Working-Konzepte, Werkstätten oder Kleinbetriebe. Die Stuttgarter Architektin und Juryvorsitzende Gabriele D'Inka hebt im Urteil hervor: „Ein klares und identitätsstiftendes Konzept mit einem Netzwerk aus Gassen und Plätzen und gut gesetzten Baukörpern. Ein schöner Beitrag zur Entstehung eines innovativen, urbanen Stadtquartiers von großer Lebendigkeit.“
An dem Wettbewerb hatten in der ersten Phase 20 Büros teilgenommen, fünf davon konnten anschließend die zweite Phase bestreiten und wurden mit Preisen oder Anerkennungen geehrt. Diese verteilen sich wie folgt:
- 1. Preis: Schürmann + Witry mit Miriam Stümpfl (beide Zürich) und Wolfgang Blank Landschaftsarchitekten (Stuttgart)
- 2. Preis: Octagon Architekturkollektiv (Leipzig) mit studiofutura (Berlin)
- 3. Preis: ARP Architektenpartnerschaft (Stuttgart)
- Anerkennung: michellerundschalk landschaftsarchitektur und urbanismus (München) mit FAM Architekten (München)
- Anerkennung: superwien urbanism (Wien) mit Siri Frech Raum + Strategie (Berlin)
Ebenfalls als IBA’27-Vorhaben fielen dieses Jahr unter anderen die Wettbewerbsentscheidungen für ein
Wohnquartier am Neckarufer in Untertürkheim sowie die
städtebauliche Weiterentwicklung rund um die Weißenhofsiedlung, die im IBA-Jahr 2027 ihr 100-jähriges Bestehen feiert und einen zentralen Ankerpunkt der Bauausstellung ausmacht.
(sab)
BauNetz ist Medienpartner der IBA’27 StadtRegion Stuttgart.
Zum Thema:
Noch bis Mittwoch, 2. November 2022 sind Modelle und Pläne der fünf Arbeiten aus der Finalrunde im Foyer des Schorndorfer Rathauses, Marktplatz 1, ausgestellt.
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architekt | 08.11.2022 18:20 UhrRichtung für alle ?
Aus Erfahrung von vielen Projekten ist dem gemeinen Nutzer selbst ein Stabgeländer am Balkon zu viel Offenheit. Spätestens im Sommer nach Projektübergabe ist die Demoausstellung der im örtlichen Baumart zu erwerbenden Strohmatten und Folien montiert.
Die städtebauliche Konfiguration des Siegerentwurfs mit den schmalen von Laubengängen erschlossenen Gassen steigert die Problematik für nicht in einer großen WG- Leben wollenden ins unermessliche. Eine Gasse als Erschließungszone mit rückwärtigen halböffentlichen oder privaten Außenbereichen kann ich nachvollziehen. Ich muß jedoch nicht WIssen ob mein Nachbar von Gegenüber 2 oder 3 Stück Zucker ... Sorry ... Zuckerersatzprodukt im Kaffee hat. Aus meiner Sicht haben diese sozialromantischen Utopien wenig mit der Wirklichkeit der späteren Nutzer zu tun. Ortbezogen als Nachverdichtung im urbanen Kontext einer Großstadt sicher einer Lösung. Hier jedoch ungezwungen auf ein freies Grundstück positioniert.
Die Kleinteiligkeit der integrierten Plätze ist bei gleichzeitig wesentlich höherer Wohnqualität im 3ten Preis wesentlich besser gelöst. Des Weiteren sind auch die Durchblicke zum nördlichen Naturraum am Fluss in den anderen Wettbewerbsbeiträgen wesentlich durchlässiger.
Die im Wettbewerb noch graziel anmutenden Industriefassade mit geschätzt 70% Glasanteil ist spätestens nach der ersten Berechnung des Wärmeschutzes nicht mehr zu halten. Brechen Sie das Projekt mal auf den umsetzbaren wirtschaftlichen Standard zurück... jaja Wettbewerb und so ;)