Die Großwohnsiedlungen in der städtischen Peripherie Berlins lagen bislang weitestgehend unter dem Radar lokaler Stadtentwicklungsdebatten. So auch das ab den 1980er Jahren errichtete Neu-Hohenschönhausen, wo heute rund 57.000 Menschen leben. Dafür soll in den kommenden Jahren ein neues „Urbanes Zentrum“ entstehen. Entsprechend hatte das Land Berlin im Mai 2021 zusammen mit dem Bezirk Lichtenberg ein europaweit offenes, zweistufiges Verfahren ausgelobt, das superwien urbanism (Wien) gemeinsam mit studio boden Landscape Architecture + Urban Design (Graz) für sich entscheiden konnten.
Prägend für die Plattenbausiedlung im Nordosten der Hauptstadt sind Punkthochhäuser und Zeilenbauten. Ziel des Wettbewerbs war die stadträumliche Komplettierung des Siedlungszentrums, das sich am Schnittpunkt zweier großer Achsen befindet. Neben dem vorhandenen Einkaufscenter, dem Multiplexkino und einem kleinen Stadtplatz bestimmen hier – im Gegensatz zu dem ansonsten von weiten Grünflächen durchzogenen Stadtteil – vor allem Park- und Brachflächen das Bild.
Auf dem 6,5 Hektar umfassenden Wettbewerbsgebiet sollten laut Aufgabenstellung bis zu 80.000 Quadratmeter Geschossflächen untergebracht werden, darunter vor allem Wohnungen für etwa 960 Menschen. Neben Flächen für Gewerbe, Gastronomie, Büro und Gesundheit ging es zudem auch um zwei spezifische Bausteine: einen Mobilitätshub mit Platz für Car- und Bike-Sharing als auch Ladestationen für Elektroautos und ein Kultur- und Bildungszentrum (KuBiZ). Im Ideenteil waren zudem Vorschläge für einzelne Grundstücke im Umfeld und die Anbindung des S-Bahnhofes gefordert.
Zum Wettbewerb aufgerufen waren interdisziplinäre Teams mit Kompetenzen im Bereich Architektur oder Stadtplanung sowie Landschaftsgestaltung. Die Koordination übernahm das Büro Machleidt (Berlin). 26 Teams hatten Entwürfe eingereicht, im Vorfeld der finalen Entscheidung waren die 12 verbleibenden Arbeiten der zweiten Stufe ausgestellt, und Bürger*innen konnten Kommentare einreichen, die auch der Jury vorlagen.
Das Preisgericht, in dem unter anderem Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst, Architektin Christl Drey vom Haus der Architektur Köln und der ehemalige BDA-Präsident Heiner Farwick (Ahaus) vertreten waren, vergab zwei Preise und drei Anerkennungen:
- 1. Preis: superwien urbanism (Wien) mit studio boden Landscape Architecture + Urban Design (Graz)
- 2. Preis: Studio Schultz Granberg (Berlin) mit bbz Landschaftarchitekten (Berlin)
- Anerkennung: Continued unnoticed (Leipzig) mit Schieferdecker Landschaftsarchitektur (Dresden)
- Anerkennung: Bernd Albers Gesellschaft von Architekten (Berlin) mit Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich)
- Anerkennung: BURA Urbanism (Amsterdam) mit morePlatz (Berlin)
Mit Blick auf die erst- und zweitplatzierten Teams scheint die Jury eine klare Vorstellung für das neue Zentrum von Neu-Hohenschönhausen zu haben. Beide Entwürfe legen den Fokus auf einen begrünten, autofreien Boulevard, der sich quer durch das Quartier zieht und die bestehenden Platzsituationen und Grünräume miteinander verbindet. Auf den Brachflächen entlang der Falkenberger Chaussee schlagen beide Teams statt zusätzlicher Bebauung langgestreckte Parks vor.
Deutliche Unterschiede sind in Bezug auf Baukörpergestaltung, Höhenentwicklung und Nutzungsverteilung zu sehen. Besonders lobend hob die Jury im Entwurf von superwien und studio boden neben der „angemessenen Maßstäblichkeit“ der öffentlichen Räume die „pointierte Setzung“ der Baukörper hervor. Die Architekt*innen planen als räumliche Fassung der neu angelegten Passage mehrere dreigeschossige Sockelbauten. Auf diesen sollen unterschiedlich hohe Türme platziert werden, der höchste am Bahndamm mit insgesamt 20 Stockwerken. Darüber hinaus zeigt das Team in seinen Darstellungen auch eine vielfältige Nutzungsmischung sowie klimaangepasste Gestaltungsmaßnahmen.
Bereits vor einigen Jahren war eine städtebauliche Weiterentwicklung des Zentrums von Neu-Hohenschönhausen angedacht. Damals erwarb eine private Investorengruppe das Areal. Nachdem die geplanten Projekte jedoch nicht zustande kamen, wurde der Vertrag 2019 rückgängig gemacht. Nun besteht die Chance, die Flächen in kommunaler Hand weiterzuentwickeln. Das siegreiche Team soll ab kommendem Jahr, beauftragt vom Land Berlin, einen Masterplan auf Grundlage seines Entwurfs entwickeln. Danach steht die Erstellung des B-Plans an.
Text: Maximilian Hinz
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Weitere Infos zum Wettbewerb sind zu finden unter: stadtentwicklung.berlin.de
Die Arbeiten sind ab Donnerstag, 16. Dezember 2022 in einer digitalen Ausstellung zu sehen. Die Eröffnung findet im Rahmen der Preisverleihung um 18:30 Uhr als live übertragene Videokonferenz statt.
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Josip | 08.12.2021 15:18 Uhr@auch ein
Naja, die Modellbilder sind schon sehr einfach zu lesen... strg+n sag ich mal!