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24.07.2019
Architektonischer Fado
Stadthaus in Lissabon von Leopold Banchini und Daniel Zamarbide
Das Verhältnis von Leerstand zu Mietpreisen hat sich in Lissabon in den lezten Jahren stark gewandelt. Schätzungen zufolge standen 2011 noch fast 30.000 Wohnungen in der Innenstadt leer, die Mieten waren günstig, viele der Häuser jedoch kurz vorm Einsturz. Zugemauerte Häuserfassaden prägten das mancherorts fast geisterhafte Stadtbild. Heute ist die Stadt teurer, viele Gebäude werden aufgekauft, effizient umgebaut und marktgerecht als Ferienwohnung untervermietet, denn Touristen gibt es mittlerweile viele in Lissabon. Der Neubau eines kleinen Stadthauses von Leopold Banchini und Daniel Zamarbide trägt den Namen Dodge House (eng. to dodge – dt. ausweichen, entziehen) und verrät damit im Titel bereits den Anspruch des Projekts, sich einer Situation zu entziehen, die in Lissabon mittlerweile Überhand nimmt.
Im historischen Zentrum im Viertel Mourira befindet sich das schmale Reihenhaus mit ca. 40 Quadratmetern Footprint und einem angeschlossenen ummauerten Innenhof zur Rückseite des Gebäudes. Die straßenseitige Fassade ist ein historisierendes Replikat, das an den Vorgängerbau erinnern soll. Während Kubatur und Fassadengestaltung des Neubaus sich weitestgehend den Nachbarshäusern anpassen, frohlockt das Innere des Gebäudes mit einer spannungsvollen Grundrissgestaltung, die auf der knappen Grundfläche von 8 x 5 Metern immerhin 94 Quadratmeter auf drei Geschossen möglich macht.
Weitläufigkeit und Funktionalität begegnen sich in dem kleinen Raumvolumen. Drei eingezogene Betondecken in unterschiedlichen Tiefen unterteilen den ca. 11 Meter hohen Innenraum in Schlaf- und Wohnbereiche. Eine Wendeltreppe verbindet alle Geschosse, die jeweils über einen kleinen Sanitärbereich verfügen. Der minimalistischen und straff organisierten Gestaltung der Etagen steht der durch die Staffelung der Geschossplatten erzeugte großzügige und bis unters Dach geöffnete Innenraum gegenüber, der laut Architekten eine kontemplative Leere intendiert. Über die vollverglasten Galerien werden Blickbeziehungen möglich. Aufgehellt wird der Innenraum durch weiß angestrichene Betonsteine, die in einen Stahlbetonrahmen eingesetzt sind. Für Möbel, Wände und Böden wurden Fliesen und Steine aus der Region verwendet, zusätzlich prägen Marmor, Glas und Holz die Atmosphäre des Innenraums.
Fast wie in einem Fado erzählen Leopold Banchini und Daniel Zamarbide die Geschichte ihres Dodge House, dem Bestreben, weniger marktfähig zu sein und sich bewusst die Beziehung von Leere und Raum zu leisten. Nicht zuletzt mit den blinden Fenstern der straßenseitigen Fassade wollen die Architekten an die Lissaboner Häuserlandschaft erinnern, deren Gebäude mit ihren geschlossenen Fassaden ihr Innenleben verbergen und warten: auf bessere Zeiten. (kg)
Fotos: Dylan Perrenoud
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