Die flämische Kleinstadt Sint-Martens-Latem ist ein ruhiger Vorort südwestlich von Gent. In grüner Umgebung und am Fluss Lys gehört er zu den wohlhabenderen, gutbürgerlichen Wohngegenden. Dabei hebt die Gemeinde auch gerne die Künstler*innen hervor, die hier gewohnt haben. Sie würdigt die eigene Vergangenheit mit drei Museen sowie Auszeichnungen, die für Poesie, Chormusik und Fotografie vergeben werden. In diesem kleinteiligen, kulturellen Umfeld spielt die Stadtbibliothek eine zentrale Rolle, auch als Treffpunkt und Veranstaltungsort. Diese war zuvor allerdings in einem veralteten, kleinen Wohnhaus neben der Schule untergebracht. 2017 schrieb die Gemeinde gemeinsam mit dem Vlaams Bouwmeester einen Open Oproep-Wettbewerb aus, den Office Kersten Geers David Van Severen (Brüssel) gewinnen konnten.
Das Büro Office ersetzte den Altbau durch einen Neubau auf rundem Grundriss. Zur Straße blieb die weiß verputzte Außenwand geschlossen. Der Haupteingang ist nach Osten ausgerichtet und lässt damit einen kleinen öffentlichen Vorplatz zwischen Schule und Bibliothek entstehen. Das Satteldach, das durch die Gebäudeform einen gewissen Schwung bekommt, markiert mit seinem First diesen Haupteingang. Zur Schule hin gibt es rechteckige, bodentiefe Fenster- und Türöffnungen, die direkt in die Halle führen. Diese kann entweder mit Arbeitsplätzen besetzt oder für Veranstaltungen genutzt werden. Eine einläufige Treppe führt ins Obergeschoss in einen großen Raum unter das Dach, der ebenfalls für Veranstaltungen zur Verfügung steht.
Neben der Halle, die im Erdgeschoss wie ein Kuchenstück aus dem Grundriss geschnitten wirkt, gibt es einen rechteckigen Innenhof als zweites, ordnendes Element. Er wird von Glasfassaden umfasst, durch die man die geschwungenen Reihen der Bücherregale sehen kann. Deren Holzkonstruktion bildet teilweise tragende Wände für das Dach. Ursprünglich sollte der Entwurf mit unverputzten Außenwänden aus rotem Backstein und knallgelben Toren realisiert werden, was dem Gebäude eine Pop-Art-hafte Gestalt und deutlich größere Aufmerksamkeit gesichert hätte. So ist es ein sehr zurückhaltendes, fast introvertiertes Haus geworden, von dem die Architekt*innen hoffen, dass die Gemeinde es als ihr neues Wohnzimmer annimmt. (fh)
Fotos: Bas Princen
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Wie das Wettbewerbsverfahren des Open Oproep mit dem Aufschwung der Architektur in Flandern zusammenhängt, haben wir in der BAUNETZWOCHE#557 „Das Wunder von Flandern“ thematisiert.
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