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22.05.2015

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Ein Tempel für Bordeaux

Stadion von Herzog & de Meuron


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Der Wettbewerb wurde 2011 entschieden, Baubeginn war im Januar 2013, und am morgigen Samstag wird der Stadionneubau von Herzog & de Meuron (Basel) im Norden von Bordeaux mit einem ersten Spiel, FC Girondins gegen den HSC Montpellier, eingeweiht. Im nächsten Jahr wird dann international gespielt, wenn von Mitte Juni bis Mitte Juli 2016 die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich stattfindet.

Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben die Fußballarena zusammen mit Partner Stefan Marbach entworfen: Leicht, offen und elegant sollte sie werden – „sofern man dies von einem so großen Bau behaupten kann“. 37 Meter hoch und etwa 210 mal 233 Meter groß, ergibt sich eine Grundfläche von 45.480 Quadratmetern. Über 42.000 Zuschauer finden auf den Tribünen Platz. Das klingt nach viel, relativiert sich aber schnell im Vergleich mit der Münchner Allianz Arena, die eine Kapazität von 75.000 Zuschauern fasst.

Herzog & de Meuron hatten also die Möglichkeit, in Bordeaux eine Arena mit „reinen, geometrisch klaren Formen“ zu entwickeln, die den symmetrischen Neubau zugleich monumental und grazil erscheinen lassen. Eben dieses Spiel mit Gegensätzen, die Vereinbarung von Leichtigkeit und Schwere, von einer einfachen präzisen Konstruktion (anders als bei dem Olympiastadion in Peking) und einer ehrlichen, puren Form ohne Show (anders als bei der Allianz Arena), lässt durchaus den von den Architekten versuchten Vergleich mit einem klassischen Tempelbau zu. Eine passende Typologie, kann Fußball doch als moderner Ersatz von Religion, jedes Spiel als eine heilige Messe aufgefasst werden.

Im nächsten Schritt brechen Herzog & de Meuron das Tempelkonzept wieder auf. Denn „im Gegensatz zur erhöhten Sockelplatte eines Tempels“, so die Architekten, „lassen die großzügigen Treppen dieses Stadions die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum verschwimmen“. Unterstützend zu den Treppen werden die Zuschauer von zahlreichen Säulen in das und aus dem Stadion geleitet – Architektur als einladende Geste der Offenheit.

Die Tribünen ruhen auf einem Sockel und sind mit einem scharfkantigen rechteckigen Dach bedeckt und vor dem Wetter geschützt. Mit dieser Form greifen die Architekten die Gegebenheiten des Geländes sowie die Richtung des Hauptzuschauerstroms von Osten nach Westen auf. Die Unterseite des visuell homogenen Daches soll den Blick auf das Spielfeld lenken, ist jedoch durchlässig für Sonnenlicht. Damit die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht gestört wird, ist die Konstruktionsweise im Innern des Stadions nicht zu erkennen.

Durch die Fülle der vom Dach herabstrebenden schlanken Säulen wirkt das weiße Rechteck, „als würde es auf den Boden projiziert“, so HdM. „Ein Band mit Imbissständen und Toiletten zieht sich durch diesen Säulenwald, der durch die bewegte Menschenmenge zum Leben erwacht.“

Die garantiert optimale Sicht von allen Plätzen sowie die Flexibilität der Nutzung nicht nur für Rugby- und Fußballspiele, sondern auch für Konzerte und andere Veranstaltungen unterstützen die Funktion und werden den Anforderungen dieses Neubaus, der in direkter Nachbarschaft zum Bordeaux Exhibition Centre entstanden ist, mehr als gerecht. Am Ende ist dieses Stadion eben kein Tempel für „König Fußball“, sondern ein Tempel für die Stadt Bordeaux. (jk)

Fotos: Francis Vigouroux; Iwan Baan


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Kommentare
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6

a_C | 26.05.2015 10:37 Uhr

Hui!

Boah, ist das gut! Hier noch ein Haar in der Suppe finden zu wollen: lächerlich.

HdM spielen einfach in einer anderen Liga! Alleine die Bilder 8 bis 10 sind un.fass.bar. gut. Respekt, Chapeau, meine Anerkennung.

5

ein Architekt | 26.05.2015 08:38 Uhr

Stadion mit Licht und Schatten.

Die Form ist schon wirkliche Klasse. Insbesondere der Übergang von Dach zu Tribünenuntersicht ist sehr gelungen. Auch gefällt mir der Wald an Stützen gut. Der darin eingehängte Umgang passt gut dazu.
Soviel zur Form - mit der Funktion tue ich mich eher schwer. So leicht die äußere Form gelungen ist, so schwer und drückend wirkt das Dach im Innenraum. Kein Milimeter Luft zwischen Dach und Tribüne, schwer lastet die leichte Konstruktion hier. Aber hier kommt es doch drauf an, oder? Sehr schade, dass es nicht gelungen ist, den leichten Ansatz von außen auch nach innen zu bringen.
Dass in diesem Stadion der Rasen auch nicht gedeihen wird, bleibt wohl eine Randnotiz, es haben sich wohl alle bereits daran gewöhnt.

4

DasHolzsatel | 26.05.2015 08:17 Uhr

Wo bleibt der Winter

Keine Einwände. Und Deutschland muss sich mal wieder schämen.

Ich würde das Station gern im Winter sehen. Mit 50 cm Neuschnee. Das wäre dann ein perfekter Ort für einen melancholisch heiteren Herzschmerzfetzen.
oder Christo kann es einwickeln...

H&M habens einfach drauf.

3

Maketheworldabetterplace | 24.05.2015 18:14 Uhr

Wo ist das Tragwerk?

Für mich ist der Entwurf ein weiterer Markstein in der allgemeinen Bewegung weg von einer "konstruktiven" Architektur. Bei den meisten Bautypen wurde das Tragwerk als Gestalt- und Raumbestimmendes Element schon getilgt, nun ist die Entwicklung bei den Stadien angekommen.

Der abstrakte Wald von Spaghetti-Stützen ist dafür kein Ersatz. Die Stützen sind hier keine Elemente mehr, die eindeutig tragen oder lasten. Sie bilden vielmehr eine ätherische Raum-Matrix, bei der eher der Sockel/Boden am Dach zu hängen scheint als umgekehrt. Die Spaghetti-Stützen, von denen jede einzelne in einem Meer der Redundanz verzichtbar scheint, sind eine "Erfindung" von Chipperfield, die er erstmals bei den Arkadengängen für das Pergamon-Museum eingesetzt hat. Mich persönlich können diese Spaghetti-Stützenwälder architektonisch bis heute nicht überzeugen. Auch hier nicht. Andere (Teil-) Qualitäten des Entwurfs erkenne ich wohl an.

2

purer | 22.05.2015 16:18 Uhr

neid

wo ist diese ganze verdammte technik und überhaupt... ein fahrradkeller in deutschland hat mehr leuchten, fluchtwegzeichen, lüftungskanäle, doppelt-beidseitige dreifache handläufe und farbmarkierungen als das stadion.
respekt! die jungs haben's leider drauf

1

Boris | 22.05.2015 15:50 Uhr

Stadion in Bordeaux

Architektur pur. Weltklasse.

 
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