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20.01.2025

Jüdisches Zentrum in Kreuzberg

Staab Architekten gewinnen Wettbewerb in Berlin


Nach fast 90 Jahren Brache dürfte es sich bei dieser Aufgabe um eine der wichtigsten Ergänzungen eines zentralen innerstädtischen Blocks handeln. Ein Preisgericht hat am vergangenen Freitag entschieden: Das Jüdische Zentrum am Standort der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg wird von Staab Architekten geplant. Zusammen mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten (beide Berlin) entschied das Büro den einphasigen, nichtoffenen Wettbewerb für sich. Bebaut werden soll die Fläche, die 1938 durch die Zerstörung des historischen Haupthauses durch die Nationalsozialisten entstand.

Ergänzend zur bestehenden, im historischen Nebengebäude untergebrachten Synagoge sieht die Initiative Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V. anstelle des zerstörten Gebetshauses ein umfangreiches neues Raumprogramm vor. Eine Kindertagesstätte mit 45 Plätzen soll hier entstehen, genauso wie ein flexibler Festsaal, ein koscheres Café, Ausstellungsräume für zeitgenössische Kunst und Coworking-Spaces. Eine Bruttogrundfläche von rund 3.500 Quadratmetern ist dafür vorgesehen. Begleitende Bauherrin ist die landeseigene Berlinovo. Im von C4C betreuten Verfahren wurden folgende Büros ausgezeichnet:

  • 1. Preis: Staab Architekten mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten (beide Berlin)

  • 2. Preis: DFZ Architekten mit Y-LA Ando Yoo Landschaftsarchitektur (beide Hamburg)

  • 3. Preis: hope Architekten (Hamburg) mit Johannes Arolt (Berlin) und 317 Stadt- und Freiraumplanung (Landsberg)

  • Anerkennung: Georg Scheel Wetzel Architekten (Berlin) mit Dietz & Partner Landschaftsarchitekten (Elfershausen)

  • Anerkennung: Peter W. Schmidt + Assoziierte (Pforzheim) mit Fugmann Janotta Partner (Berlin)

Der prämierte Entwurf zeigt sich als dreiteiliges Ensemble und legt eine Sequenz von Baukörpern und geschützten Innenhöfen in den Block. In jedem Kubus werden verschiedene Nutzungen angeboten. Der höchste von ihnen enthält den Festsaal. Daneben öffnet sich der Galeriebau mit ebenerdigem Café zum Vorplatz. Die Kindertagesstätte komplettiert den Block in Richtung Kohlfurter Straße.

Die Geschichte des Ortes ist wechselhaft. Nicht nur städtebaulich klafft in Kreuzberg seit Jahrzehnten eine Lücke, die auch durch eine zwischenzeitliche Nutzung der Brache als Grünfläche nicht gefüllt werden konnte. Besonders für viele Angehörige der jüdischen Gemeinde ist das Fraenkelufer Synonym für die mutwillige Zerstörung jüdischer Gebetsräume im Land. Gleichzeitig begann hier aber schon im September 1945 der Neuanfang religiösen jüdischen Lebens – früher als an allen anderen Orten Berlins. Umso größer ist die Verantwortung des Landes, Raum für das aktive Gemeindeleben und einen Ersatz für das verlorene Kulturdenmal zu schaffen.

Die ehemalige Synagoge nach Plänen von Alexander Beer wurde 1916 eingeweiht und stand bis zur Brandstiftung in der Nacht der Novemberpogrome 1938. Weitere Schäden an der Ruine folgten in den Kriegsjahren. Inzwischen erinnert nur das ehemalige Seitenschiff mit der sogenannten einstigen Jugendsynagoge an den neoklassizistischen Sakralbau. Dieser Raum wird von der Gemeinde bis heute als Gebetsraum genutzt.

Bereits 2012 wurden Pläne für einen Wiederaufbau erwogen. Schließlich sorgte 2018 der Förderverein Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer e.V. nach einer Initiative des SPD-Politikers Raed Saleh für genügend Aufmerksamkeit, um die vagen Pläne in den öffentlichen Diskurs zu rücken. Ziel des Gremiums war damals noch, ein Haus errichten zu lassen, das sich am Stil des Vorgängerbaus orientiere – also letztlich ein Wiederaufbau der Synagoge.

Eine neue Synagoge soll nach aktuellen Plänen nun allerdings nicht entstehen. Eine rekonstruierte schon gar nicht. Berliner Senat und Bezirk sprechen in ihrer derzeitigen Mitteilung von einem „Campus“ oder einem kulturellen „Zentrum“. Der Gestaltungswille des Kreuzberger Büros Staab für ebendiesen Campus lässt sich am zentralen Baukörper erkennen. Eine Ziegelhülle, die auch die anderen Körper bekleidet, schließt nach oben mit einer Bogenreihe ab. Ergänzt wird die Krone durch ein loses Zitat der Rundfenster des Vorgängerbaus.

Aus 18 Beiträgen konnte das neunköpfige Preisgericht den Siegerentwurf ermitteln. Sechs Büros wurden im Rahmen eines RPW-Verfahrens direkt eingeladen, zwölf weitere hatten sich durch einen Teilnahmewettbewerb qualifiziert. Dem Preisgericht gehörten größtenteils Architekt*innen wie Donatella Fioretti oder Jórunn Ragnarsdóttir an. Auch Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt und Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann waren stimmberechtigt. Das eigens gegründete Kuratorium zum Wiederaufbau war durch Andreas Geisel mit einer Person vertreten. Der Verein Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer wurde durch seinen Vorsitzenden Dekel Peretz repräsentiert. Den Juryvorsitz hatte die Architektin Ulrike Lauber inne.

Offen muss nach aktuellem Informationsstand allerdings bleiben, wie stark die Beteiligung der Gemeinde letztlich war und welche Inhalte schlicht von den Auslober*innen des Wettbewerbs vorgegeben wurden. Beispielsweise ist unklar, weshalb das ursprüngliche Ziel einer Rekonstruktion aufgegeben wurde und was schließlich gegen einen neuen Sakralbau sprach. Laut Angaben des Kuratoriums waren aber sowohl Mitglieder der lokalen Gemeinde als auch jüdische Architekt*innen bei gestalterischen Abstimmungen hinzugezogen worden.

Entsteht hier also schlussendlich ein Ort für die lokale Gemeinde oder handelt es sich doch primär um ein Prestigevorhaben des Landes Berlin? Die gesamtstädtische Jüdische Gemeinde zu Berlin sei jedenfalls nicht in die Planung involviert gewesen, heißt es. Und Eigentümerin bleibt bis auf Weiteres die Stadt Berlin. 24 Millionen Euro stecken im Budget für den Neubau. Der Baubeginn ist für 2027 avisiert. (tg)

[Anmerkung der Redaktion: Ein historisches Foto wurde hinzugefügt.]


Zum Thema:

www.aufbruch-am-ufer.berlin

Bereits 2022 entwarfen Studierende verschiedener Universitäten gemeinsam mit ihren Lehrstühlen Beiträge zur Neugestaltung unter anderem der Synagoge am Fraenkelufer. Die Ergebnisse des von der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Synagogenprojekts wurden im September 2022 in Hamburg ausgestellt und anschließend bei Park Books als Buch publiziert.


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

Staab Architekten
Atelier Loidl Landschaftsarchitekten


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1. Preis: Staab Architekten mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten (beide Berlin)

1. Preis: Staab Architekten mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten (beide Berlin)

2. Preis: DFZ Architekten mit Y-LA Ando Yoo Landschaftsarchitektur (beide Hamburg)

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3. Preis: hope Architekten (Hamburg) mit Johannes Arolt (Berlin) und 317 Stadt- und Freiraumplanung (Landsberg)

3. Preis: hope Architekten (Hamburg) mit Johannes Arolt (Berlin) und 317 Stadt- und Freiraumplanung (Landsberg)

Synagoge am Fraenkelufer, um 1917

Synagoge am Fraenkelufer, um 1917

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