Das neue Gebäude der Antwerpener Elitesportschule Topsportschool liegt nicht nur auf dem Gelände einer ehemaligen Militärfestung, dem Fort VI im Stadtviertel Wilrijk, es tritt auch militärisch auf – zumindest teilweise. Denn oben auf dem brutalistischen Betonsockel, der einem asymmetrischen Hochbunker gleicht, sitzt elegant ein riesiger Glaskasten. Die Kreation eines Oxymorons war das erklärte Ziel von Compagnie-O Architects (Gent), sie wollten die dem Sport innewohnende Spannung zwischen Härte und Leichtigkeit in eine architektonische Form bringen. Mit ihrem Entwurf gewannen sie den vor einigen Jahren für den Neubau ausgeschriebenen offenen Wettbewerb.
Die Gestaltung des Baukörpers knüpft zum einen an die militärische Vorgeschichte des Ortes an, zum anderen haben sich die Architekten sehr genau mit dem Begriff des Leistungssports beschäftigt und dessen Implikationen wie spartanische Strenge, Disziplin und Effizienz in ihr Konzept einfließen lassen. Athleten sind sehr auf sich, auf ihren Körper fixiert – „fokussiert und narzisstisch“, so die Beobachtung der Architekten. Der Blick auf den Anderen, den sportlichen Gegner, beinhaltet immer auch Wettbewerb und Vergleich. Deshalb haben Compagnie-O in ihre Sportschule „unerwartete Blickachsen, reflektierende Oberflächen und voyeuristische Räume“ eingebaut.
Nicht zuletzt hat die direkte räumliche Übersetzung des umfangreichen Funktionsprogramms das so gegensätzlich wirkende Äußere des Baus bestimmt. Der fensterlose, „introvertierte“ Sockel ist dem körperlichen Training und der individuellen Leistung vorbehalten. Hier befinden sich der seitlich gelegene öffentliche Haupteingang, eine große Mehrzweckturnhalle und eine Halle für asiatische Kampfsportarten, die beide auch von lokalen Sportvereinen und Studenten der nahen Universität Antwerpen genutzt werden, außerdem mit edlen Fliesen und in expliziten Farben gestaltete Umkleide- und Duschräume. Die schrägstehenden Außenwände aus Stahlbeton sollen Autonomie und Standfestigkeit vermitteln und gleichen zudem die abfallende Topografie des Geländes aus. Sie sind bereits braungrün verwittert, so als gäbe es sie schon eine Ewigkeit. Auf dem Beton wurden Moose und Flechten angesiedelt, um eine sich beständig ausbreitende Patina zu initiieren.
Das Zwischengeschoss nimmt eine vermittelnde Rolle ein, der Baukörper gibt durch stellenweise große Verglasungen den Blick in die Umgebung frei. Begriffe wie „Genuss“, „Gemeinschaft“ und „Außenwirkung“ kommen ins Spiel: Hier ist die Kantine beherbergt, außerdem ein großes Fitnessstudio und ein weiterer, nur von den Sportschülern genutzter Eingang. Das sachlich-kühle Obergeschoss schließlich nimmt Studienräume und eine Bibliothek auf, es steht ganz im Zeichen geistiger Ertüchtigung. Das geschosshohe Fensterband besteht aus unterschiedlich reflektierendem Glas. Teilweise spiegelt es die Umgebung zu hundert Prozent, teilweise ist es transparent und gewährt Einblicke ins Innere. Auch ein versteckter Innenhof findet sich hier, die Architekten bezeichnen ihn als „Raum zur Dekompression“ – auch Spitzensportler müssen mal frische Luft schnappen.
Selten zeigt sich ein Gebäude so bis ins Detail metaphorisch durchdekliniert, und selten passt der Begriff „Tempel des Sports“ so gut wie im Fall der neuen Topsportschool. (da)
Fotos: Tim Van de Velde
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