Die Niederlande sind ein Backstein-Land. Das Baumaterial ist wie kein anderes Teil der ästhetischen Erfahrung beim Flanieren in niederländischen Städten. Gelb, rot-braun, ziegelrot, geputzt, ausgewaschen-verwittert, neu und alt – beim näheren Hinsehen findet der Passant in der Violenstraat in Groningen eine Varianz von Ziegeln in den verschiedensten Farbtönen und Konditionen. Durch die formale Konformität ihrer baulichen Verwendung – der Typenhäuser geschuldet – bietet sich ihm dennoch das homogene Straßenbild einer charakteristischen, niederländischen Kleinstadt.
Bis er vor dem Gebäude in der Nummer 4 steht. Schulkinder verschwinden hier in einem monolithischen, fensterlosen Baukörper. Die 2014 vom Marlies Rohmer Architects and Urbanists (Amsterdam) fertiggestellte Sporthalle irritiert das Straßenbild durch ihre opake, wellenförmige Fassade, komplett in Backstein ausgeführt. Allein die Sporttaschen der Kinder sind Indizien für die Nutzung des skulpturalen, fensterlosen Gebäudes.
Die Fassade konzipierten die Architekten gemäß den funktionalen Anforderungen der zwei gestapelten Sporthallen. Da sich direktes Sonnenlicht beim Sport als störend erweist, werden die Hallen durch – analog zu den Wellenintervallen platzierte – Oberlichter belichtet.
Auf der Rückseite und im Innenraum sind die budgetären Zwänge für Einrichtungen dieser Art nicht zu übersehen. Die homogene Straßenfassade kontrastiert mit der Hoffassade – eine fragmentarische Patchwork- Fassade aus verschiedenen Aluminium-Paneelen. Im Innenraum der Turnhallen dominieren standardisierte Bauelemente.
Der Backstein ist Ausdruck niederländischer, vernakulärer Baumethoden, die sich aus der spezifischen Geologie der Niederlande herleiten lassen: ein flaches, granit- und sandsteinarmes Land. Die heutige Verwendung birgt also die Gefahr einer konservativ-traditionalistischen Ideologisierung des Materials. Trotz des Glas- und Beton-Dogmas des „Nieuwe Bouwen“ war der Backstein in der Zeit zwischen den Weltkriegen ein wichtiges Baumaterial in den Niederlanden – sowohl für traditionelle als auch experimentelle Bauprojekte. Kann bauen mit Backstein zeitgenössisch sein? Den Architekten gelingt eine zumindest erfrischende Adaption des „Groninger Backsteins“. (df)
Fotos: Scagliola / Brakkee
Zum Thema:
Mehr über Backsteinziegel in der aktuellen Ausgabe von uncube No. 35: Bricks
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
2
H. Seeger | 29.07.2015 09:21 UhrAber Sport?
Mir erscheint die Halle für seine Funktion zu flach und zu klein. Mag am begrenzten Grundstück liegen, macht dann aber trotzdem keinen Sinn wenn eine Sporthalle nicht seiner Bestimmung voll nachkommen kann.
Wohl eher eine bescheidene Turnhalle.