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17.05.2022

Im Geist von Olympia ’72

Sportfakultät in München von Dietrich Untertrifaller Architekten


Der Olympiapark in München gehört zu jenen seltenen Architekturen, die ungefragt Gefühle hervorrufen können. Genau 50 Jahre ist es her, dass im Zuge der XX. Olympischen Sommerspiele 1972 in München innerhalb kürzester Zeit die ingenieurtechnische Pionierleistung und Wahrzeichen-Architektur von Behnisch & Partner und das Team um Frei Otto gepaart mit einer eigenständigen städtebaulichen Identität, einem visuellen Wiedererkennungswert von Otl Aicher (dessen 100. Geburtstag derzeit mit einem breiten Programm gefeiert wird) und einem neuen Lebensgefühl entstanden sind. Nicht nur zum Jubiläum rückt das denkmalgeschützte Ensemble Olympiapark in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Bis heute dient das gesamte Areal der Naherholung, als Plattform kultureller oder sportlicher Großveranstaltungen, als Sportstätte, als Wohnquartier – und nun auch als Ort universitärer Bildung.

Im nördlichen Parkbereich und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Olympischen Dorf befindet sich bereits die Zentrale Hochschulsportanlage (ZHS), die allen Studierenden der TU München als Sportstätte zur Verfügung steht. Nach einem EU-weit ausgelobten Wettbewerb 2015 erhielt die Siegergemeinschaft aus den Büros Dietrich | Untertrifaller Architekten (Bregenz) mit Balliana Schubert Landschaftsarchitekten (Zürich) von Seiten des Staatlichen Bauamts München den Auftrag, anstelle der bestehenden Hallenbauten einen erweiterten Gebäudekomplex zu errichten. Dieser soll als neuer, zentraler Standort der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TU München dienen und gleichzeitig vom ZHS und somit von Studierenden jeglicher Fakultätszugehörigkeit genutzt werden können.

Entsprechend beachtlich nimmt sich das Raumprogramm des in zwei Bauabschnitten realisierten Projekts TUM Campus im Olympiapark aus, dessen letzte Phase noch im Entstehen ist und unter laufendem Hallenbetrieb etappenweise erfolgt. Auf 42.200 Quadratmetern Bruttogrundfläche gruppieren sich nach Gesamtfertigstellung 14 Sporthallen samt Nebenräumen, zwölf Hörsäle, 15 Räume für Sportdiagnostik, fünf Werkstätten, eine Bibliothek, eine Cafeteria und 300 Büros. Das insgesamt 185 Meter lange und 153 Meter breite Gebäude, das nun nach Abschluss der ersten Bauphase gestern offiziell eingeweiht wurde, fügt sich dabei behutsam und adäquat in den Kontext ein. „Wir wollten nicht mit diesen organischen Skulpturen konkurrieren, sondern eine zeitgemäße, aber angemessene Antwort geben mit einem sehr schlichten und doch repräsentativen und selbstbewussten Baukörper, der dem olympischen Geist von ‘72 hoffentlich gerecht wird“, erklärt Much Untertrifaller seinen Entwurf.

Die Beschreibung bestätigt sich durchaus. Der flache Bau bettet sich auf passende Weise in die historische Landschaftsarchitektur von Günther Grzimek ein. Trotz der Dimensionen und nutzungsbedingt typologischen Vielfalt geht dabei zu keinem Zeitpunkt das Gefühl von Leichtigkeit, Helligkeit und Übersicht verloren. Eine über die gesamte Länge verlaufende Haupterschließungsachse, die sogenannte „Rue intérieure“, dient der klaren Orientierung und schafft eine rückgratartige Struktur. Dazu erfüllt der ausgeklügelte Grundriss die im Wettbewerb geforderten kurzen Wege zwischen Theorie und Praxis.

Eine Spange bilden die bereits errichteten Hallenbereiche samt Kletterhalle, Indoor-Tartanbahn mit angegliederten Diagnostikräumen, simulierter Schulsporthalle zur Übung von Geräteaufbau und zahlreichen weiteren, für diverse Sportaktivitäten ausgestatteten Bereiche. Im nächsten Schritt folgt die Errichtung der Institutsbereiche, die nach Abriss der Bestandshallen links und rechts der Hauptachse rund um jeweils drei Innenhöfe entstehen. Im Westen mündet das Bauwerk bereits jetzt in eine über die gesamte Gebäudebreite verlaufende Terrasse, die als „Rue extérieure“ quer zur Hauptachse im Gebäudeinneren steht. Hier findet sich auch ein zeichenhaftes Gebäudeelement in Form eines 19 Meter auskragenden, stützenfreien Vordachs, das bis über einen Teil der Außenlaufbahn ragt, und laut Architekt „eine umarmende Geste an den Freiraum“ darstellen soll. Nach Abschluss der Freiraumgestaltung werden sich die Sportanlagen über insgesamt 20 Hektar Fläche erstrecken.

Der Holz-Hybridbau macht nicht zuletzt aufgrund der Materialwahl für die zweigeschossige Konstruktion auf sich aufmerksam. Rund 5.200 Kubikmeter Holz wurden oder werden noch in den Wänden und Decken der Sporthallen, der Institutsbereiche sowie in der gesamten Dachkonstruktion verbaut. Neben den Massivbauteilen aus Stahlbeton, die an der Erschließungsachse, in den Treppenhäusern oder etwa der Kletterhalle sowie im Untergeschoss notwendig waren, bleiben die konstruktiven oder bekleidenden Holzelemente, die größtenteils vorgefertigt waren, prädominant sichtbar. Ebenfalls galt Transparenz als im Wettbewerb geforderte gestalterische Prämisse. Verglaste Wände erlauben umfassende Sichtbezüge zum sportlichen Geschehen. Statt den ursprünglich veranschlagten 130 Millionen Euro werden sich die Gesamtkosten inklusive Außenanlagen auf rund 168 Millionen Euro belaufen. Geplant ist eine Fertigstellung bis 2023, sofern der (Holz-)Baustoffmangel dem Vorhaben nicht nennenswert in die Quere kommt. (sab)

Fotos: Aldo Amoretti

[Anm. der Redaktion: In der ursprünglichen Fassung dieser Meldung waren die Urheber des historischen Olympiageländes und seiner Bauten missverständlich genannt. Wir haben dies nun präzisiert.]


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