Paris ist Austragungsort der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024, die kommende Woche am 26. Juli eröffnet werden. Es ist nach 1900 und 1924 das dritte Mal, dass die Sommerspiele in der französischen Hauptstadt gastieren. Dabei dürfte aber nicht unbedingt das Jubiläum ausschlaggebend für den Zuschlag gewesen sein, sondern die Tatsache, dass Paris als einzige Stadt im Rennen blieb. Unter anderem hatten Hamburg, Rom und Budapest zurückgezogen. 2017 gab das Internationale Olympische Komitee IOC die Vergabe bekannt. Sieben Jahre Zeit also, das Podium vorzubereiten.
Dass im 21. Jahrhundert die bahnbrechenden Neuentwicklungen von Olympischen Stätten à la München 1972 ausbleiben, ist aus architektonischer Sicht schade, aber mehr als gerechtfertigt. Generell dürfte und sollte Paris eine neue Ära einleiten, wenn es darum geht, einem Sportgroßereignis wie der Olympiade eine zeitgemäße Plattform zu bieten. Denn der massive Eingriff in die urbane oder natürliche Umwelt und der katalytische Verbrauch von Ressourcen für eine nur kurze Nutzungsdauer ist längst überholt.
95 Prozent der Spielstätten im Bestand
Paris hat sich dahingehend große Ziele gesetzt. Die allermeisten Wettkämpfe der nächsten Wochen werden in Bestandbauten oder temporär errichteten Strukturen, teils vor der Kulisse wohlbekannter Sehenswürdigkeiten ausgetragen. Nur wenige Sportstätten – und diese werden weit über die Stadtgrenzen hinausreichen – wurden explizit neu gebaut. Und selbst die Neubauten verpflichten sich der Sparsamkeit, sollen in ihren Dimensionen anpassbar und auf eine langfristige Nachnutzung ausgerichtet sein. Ob die Rechnung aufgeht, zeigt sich freilich frühestens in ein paar Jahren.
Das wohl größte Sportevent, das Frankreich je beherbergt hat, spickt das IOC mit bemerkenswerten Zahlen: Knapp 11.000 Athlet*innen treffen an 329 Sportereignissen an 35 Spielstätten vor rund 10 Millionen Zuschauer*innen aufeinander. Dabei reichen die Orte vom Stadtkern über die Region Île-de-France und Stadien im ganzen Land bis hin nach Tahiti, wo im Überseegebiet Frankreichs die Surfwettbewerbe stattfinden. Dazu gibt es Segeln in Marseille, Basketball-Qualifikation oder Handball-Finalspiele in Lille oder Fußball in Bordeaux, Nantes, Lyon, Saint-Etienne oder Nizza.
Olympisches Sightseeing
Die Liste der Spielstätten in Paris liest sich wie die To-Do-Liste für einen Städtetrip: Eine temporäre Arena am Eiffelturm lässt beim Beachvolleyball mitfiebern, am Schauplatz der Weltausstellungen Champ de Mars werden Judo und Ringen ausgetragen, auf der Grünfläche vor dem Invalidendom, der Esplanade des Invalides, findet das Bogenschießen und der Zieleinlauf des Marathons statt, der übrigens vor dem Hôtel de Ville startet.
Im Grand Palais wird neben der famosen Architektur von 1900 auch Taekwondo und Fechten zu bestaunen sein, der Place de la Concorde verwandelt sich in eine Arenen-Landschaft für BMX-, Skateboard-, 3x3-Basketball-Wettkämpfe sowie dem frisch olympisch gekrönten Breakdance. Die Jugendstilikone Pont Alexandre III wird zur Kulisse für Schwimmwettkämpfe, Triathlon oder Radsport und in den Gärten von Versailles gastiert der Reitsport. Auch die Bercy Arena von 1984 wird für Rhythmische Sportgymnastik, Basketball oder Trampolinspringen umgenutzt, während die Stadien Parc des Princes, Stade de France oder Roland-Garros zu ihren üblichen Sportarten einladen.
Wenige Neubauten mit langfristigem Nutzungskonzept
Bereits 2017 eröffnete – unabhängig von den Olympischen Spielen – die Paris La Défense Arena nach Plänen von Christian de Portzamparc (Paris). Der Multifunktionsbau wurde nun für Schwimmwettkämpfe umgerüstet. Diese finden auch in einem der wenigen Neubauten statt, die speziell für das Sportgroßereignis errichtet wurden, dem Centre Aquatique Olympique in Saint-Denis von VenhoevenCS (Amsterdam) und Ateliers 2/3/4/ (Paris) mit tragwerksplanerischer Unterstützung von schlaich bergermann partner sbp (Stuttgart).
Neben einer neuen Kletterhalle in Le Bourget ist außerdem die Porte de la Chapelle Arena der Büros SCAU und NP2F (beide Paris) neu im Repertoire. Während darin in den kommenden Wochen unter anderem Badminton gespielt wird, ist die Halle langfristig dem Pariser Basketballsport gewidmet. Und nicht zuletzt gerät nun auch das 2021 eröffnete Stade nautique olympique de Vaires-Torcy in Vaires-sur-Marne in den Blick. Das Büro Auer Weber (München, Stuttgart) durfte das Gelände bereits vor wenigen Jahren für die Ausrichtung der Ruder- und Kanuwettbewerbe umgestalten.
Der Holzbau steht im Fokus des wohl größten Neubauprojekts, der durch die Spiele angestoßen wurde. Das Olympische Dorf in den Stadtgebieten von Saint-Denis, Saint-Ouen-sur-Seine und L’Île-Saint-Denis im Norden von Paris soll einmal rund 2.500 Miet- oder Eigentumswohnungen, ein Studierendenwohnheim, Büro-, Gewerbe- und Grünflächen auf 52 Hektar umfassen. Das Projekt entstand auf Basis eines Masterplans von Dominique Perrault und agence ter (beide Paris). Das eine oder andere Beispiel aus den kleinparzellierten Wohnblöcken, die an Schiffsanleger angelehnt sind, haben wir bereits vorgestellt.
Neben der vielpropagierten „Nachhaltigkeit“ sind weitere Ziele auch die Erschließung und der Einbezug der größeren Metropolregion. Wie diverse Medien bereits berichteten, geht das jedoch mit Gentrifizierung einher, mit sozialer Ausgrenzung und größeren Entbehrungen der bestehenden Stadtbevölkerung. Wenn in zehn Tagen die Welt auf die reduzierte Form einer pompösen Eröffnungsfeier in Form einer Bootsparade auf der frisch filtrierten Seine blickt, dürfte all das für kurze Zeit in Vergessenheit geraten. (sab)
Zum Thema:
Über die von Studierenden aus Recyclingholz und -materialien neu errichteten Pavillons im Parc de la Villette berichtet baunetz Campus.