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19.11.2021
Filmtipp: Und trotzdem schweigt er
Speer Goes to Hollywood
Als Albert Speer nach 20 Jahren Haft im Jahr 1969 seine „Erinnerungen“ an das Dritte Reich veröffentlichte, wurden sie zum weltweiten Bestseller. Der neuerliche gesellschaftliche Aufstieg von Adolf Hitlers Architekten und Rüstungsorganisatoren in der deutschen Nachkriegsgesellschaft belegt, wie schillernd die Figur Albert Speer in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus damals war – und bis heute geblieben ist.
Seit kurzem läuft Vanessa Lapas Speer Goes to Hollywood im Kino. Ein Doku-Essay über Speer und seine Memoiren, das diese doppelsinnige Person, die trotz höchster politischer Ämter im Dritten Reich nichts von den Verbrechen der Nationalsozialisten gewusst haben will, entschlüsselt – und gleichsam einen anderen, rätselhaften Speer hinterlässt.
Als Grundlage für Speer Goes to Hollywood nahm die in Israel lebende Journalistin Lapa Tonbandaufnahmen, die 1971 in Speers Heidelberger Wohnhaus entstanden. Gemeinsam mit dem jungen Regisseur und Stanley-Kubrick-Schüler Andrew Birkin arbeitete der damals 66-jährige Speer an einem Drehbuch für seine „Erinnerungen“. Paramount plante bereits die Verfilmung. Aber Speer kam nie in Hollywood an, der Film wurde nie produziert.
Lapa machte die bislang unbekannten „Speer-Tapes“ ausfindig, ließ einen Zusammenschnitt neu einsprechen und stellt Speers Worten historische Bilddokumente aus seinem Leben gegenüber. Aus 47 Archiven weltweit trug die Filmemacherin Bildmaterial zusammen. Mit ihrer Gegenüberstellung von nahem und zugleich neuem Ton sowie altem Bild hat Lapa ein filmisches Mittel geschaffen, das tief in das Denken eines hohen NS-Mannes blicken lässt, der sich 26 Jahre nach Kriegsende öffentlich zu rehabilitieren versuchte.
Dabei ist Speers Haltung 1971 verblüffend. In den Aufnahmen spricht jemand, für den das ästhetische Schaffen die Legitimation seines Handelns ist. Speers propagandistische Inszenierung des Maiaufmarsches 1933, seine Entwürfe für Monumentalbauten, selbst das Drehbuch des Filmprojekts – alles gleichermaßen deutet Speer im Gespräch mit Birkin als Gegenstände der Schönheit.
Sogar seine Initiative, als Rüstungsminister Millionen Kriegsgefangene zu Zwangsarbeitern gemacht zu haben, scheint er nicht ohne Stolz als eine Art Formvollendung der Kriegswirtschaft zu sehen. Zu welch politischen und menschlichen Abgründen seine Entscheidungen im Dritten Reich letztlich führten, wollte er aber auch 1971 nicht wirklich sehen. Speer Goes to Hollywood ist ein nahbares und Fragen aufwerfendes Porträt über einen Albert Speer, der vom Schlimmsten gewusst haben muss, aber auch 26 Jahre nach dem Krieg lieber von der Schönheit spricht.
Text: Sophie Jung
Speer Goes to Hollywood
Vanessa Lapa
Israel 2021, 97 Minuten,
Englisch-deutsche Originalfassung, teilweise mit deutschen Untertiteln
Seit 11. November 2021 in den deutschen Kinos, ab Mai 2022 als DVD bei Salzgeber erhältlich
Zum Thema:
Auch Architekt und Publizist Max Bächer setzte sich in den 1970er Jahren mit Albert Speer auseinander – und landete bei ihm zu Hause für ein Abendessen mit Rotwein. Frederike Lausch hat darüber das Buch „Faschismus und Architektur“ geschrieben.
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Der gealterte Albert Speer bei einer Pressekonferenz
Adolf Hitler und Albert Speer 1943
Während der Nürnberger Prozesse 1946
Pressekonferenz nach seiner Entlassung aus der 20-jährigen Haft in Berlin Spandau
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