Zu den bizarrsten Neubauten, die der Nationalsozialismus in Deutschland hinterlassen hat, zählen sicherlich die drei so genannten „NS-Ordensburgen“ Krössinsee (Pommern), Sonthofen (Allgäu) und Volgesang (Eifel). Nach dem vagen Vorbild der mittelalterlichen Burganlagen des Deutschen Ritterordens bauten die Architekten Clemens Klotz (Vogelsang und Krössinsee) und Hermann Giesler (Sonthofen) drei klosterähnliche Burgneubauten, in denen die NSDAP ihr neues Führungspersonal nicht nur ausbilden, sondern auch zeugen lassen wollte.
Die Burg Vogelsang, malerisch über der Urfttalsperre im Nationalpark Eifel errichtet, gilt mit ihren 50.000 Quadratmetern neben Prora und dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg als einer der größten Gebäudekomplexe des Nationalsozialismus. Genutzt wurde sie allerdings nur drei Jahre, schon 1939 wurden die „Junker“ entlassen, und die Wehrmacht übernahm die Gebäude als Truppenquartier. Nach 1945 wurde das Gelände zum Truppenübungsplatz für erst britische, dann belgische Soldaten. Erst 2006 wurde Vogelsang wieder den deutschen Zivilbehörden übergeben.
Jetzt soll hier ein zentrales Besucherzentrum für den Nationalpark sowie dessen Verwaltung einziehen. Ein Ausstellungszentrum soll über die Geschichte der NS-Ordensburg informieren, außerdem sollen die Freiflächen – insgesamt etwa 100 Hektar – neu gestaltet werden. Der Wandel zum „Internationalen Platz“ in Vogelsang, wo auch Konferenzen, Tagungen und Kinderfreizeiten organisiert werden, soll durch bauliche Änderungen sichtbar werden.
Den internationalen Wettbewerb für das „Forum Vogelsang“ hatten 2008 Mola Winkelmüller Architekten mit sinai Freiraumgestaltung (beide Berlin) gewinnen können. Gestern wurde für das 42 Millionen schwere Projekt feierlich der erste Spatenstich gesetzt.
Die neue Landschaftsgestaltung soll das gesamte Gelände neu ordnen und ihm ein „strukturelles und ideelles Gravitationszentrum“ geben. Aus den Sockelmauern des nicht realisierten, monumentalen „Hauses des Wissens“ werden Terrassen, von denen die Besucher einen Überblick über die gesamte Anlage und den Nationalpark bekommen werden. In der Mitte wird im Bezug zur natürlichen Landschaft der Umgebung ein lichter Buchenhain als „stiller, zurückgezogener Ort“ angelegt. Um den Hain entsteht ein neues Wegesystem, das in den Nationalpark und zu den Gebäuden führt.
Im „Adlerhof“ der Burganlage entsteht das neue Besucherzentrum. Die Architekten wollen mit den Neubauten einen Kontrast zu dem „beeindruckenden und beklemmenden Ort“ schaffen. Ihre „Inlays“ sollen „lesbar aus der heutigen Zeit stammen.“ Alle Einbauten – Träger, Mobiliar, Ausstellungselemente – stellen als „leichte, autarke Körper eine neue zeitgenössische Schicht dar.“ An wenigen Stellen durchschneiden sie sogar die alte Gebäudehülle und erlauben Ausblicke in den Nationalpark. „Durch diese Schnitte und Füllungen wird auch von außen der Hinweis auf neue Zusammenhänge sichtbar.“
Das „Forum Vogelsang“ wird voraussichtlich 2014 eröffnet. Während der Bauarbeiten wird das Besucherzentrum vorübergehend in das denkmalgeschützte Kino umziehen, das die belgische Armee hier in den 1950er-Jahren errichtet hat. Immerhin kommen bereits über 200.000 Besucher im Jahr.
Zum Thema:
www.vogelsang-ip.de
Mola Winkelmüller Architekten haben mit sinai Freiraumgestaltung Erfahrungen im Bau von Besucherzentren, wie das der Berliner Mauer zeigt, vorgestellt im Baunetz Wissen Dämmstoffe.
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