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14.11.2016

Panorama am Montmartre

Sozialer Wohnungsbau von Kempe Thill


Der soziale Wohnungsbau in Paris geht weiter – dieses Mal mit Atelier Kempe Thill. Bereits 2012 hatten sie gemeinsam mit den lokalen Architekten FRES architectes den Wettbewerb der Baufirma Paris Habitat gewonnen. Mit ihrem Projekt in Montmartre wollen die Architekten dem sozialen Wohnungsbau ein nobleres Image verpassen. Sie entwarfen zwei „Stadtvillen“, die sich auf dem Grundstück gegenüber stehen und so einen Innenhof bilden.

Als „zeitgenössische Interpretation der Balkone Haussmann’scher Wohngebäude“ bezeichnen die Architekten ihren umlaufenden Wintergarten. Durch diese klimatische Pufferzone erhalten alle Räume zusätzliche Fläche, die auch als Außenraum nutzbar sind. So soll ein „Prototyp für das 21. Jahrhundert“ entstehen, der trotz geringer Baukosten mehr als das „Existenzminimum“ bietet. Diese Zielstellung wurde solide umgesetzt: Die Einheiten sind jeweils an den Gebäudeecken angeordnet, um eine „Mono-Ausrichtung“ zu vermeiden. Die Schlafzimmer schauen nach Möglichkeit auf den Hof und die Wohnräume in den öffentlichen Raum. In der Küche an der Gebäudeecke ergibt sich ein „Panoramablick“, konzeptionell soll so über die „Reminiszenz an die französische Leidenschaft für das Kochen“ – leider etwas stereotyp – der lokale Bezug hergestellt werden.

Als Teil der Pariser Bestrebungen, die Gegenden entlang des Boulevard Périphérique attraktiver zu machen, soll das zeitgenössische Projekt von Kempe Thill die negativ stigmatisierten Apartment-Blocks aus den Sechzigerjahren ablösen. Das erreichte architektonische Niveau lenkt dabei von Parallelen in der Herangehensweise der Architekten ab: Prototypen, die durch industrielle Fertigungsmethoden günstig gebaut werden können, hat es auch damals schon gegeben. Akteure wie Rudolf Hillebrecht gaben offen zu, mit der Gestaltung ihrer Architektur die Menschen „erziehen“ zu wollen. Man kann sich durchaus fragen, ob nicht in der Transparenz und Offenheit der „zeitgenössischen“ Architektur eine ebenfalls nicht ganz unideologische Botschaft versteckt ist.

Bestehen bleibt auch die Frage, inwieweit sich politisch-strukturelle Probleme einer Gesellschaft mit formalen architektonischen Mitteln lösen lassen. Gelungene Stadtteilaufwertungen im Bestand beweisen, dass neue Architektur allein nicht unbedingt für bessere Bedingungen sorgt. Die Bedürfnisse der Nutzer, beispielsweise nach mehr Identifikation mit ihrem Wohnort, müssen ernst genommen werden. Trotzdem: Im Hinblick auf die aktuelle Wohnungsnot in deutschen Städten taugen die Pariser Bemühungen um bezahlbaren Wohnraum und auch deren architektonische Qualität als Vorbild. (dd)

Fotos:
Ulrich Schwarz, Berlin


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