Wien, 20. Bezirk, Traisengasse: Hier in der Brigittenau im Norden Wiens prägen billig und schnell, aber solide gebaute Nachkriegsbauten das Straßenbild. Sozialer Wohnungsbau, einfach, aber von gediegener Qualität.
Unter starkem Kostendruck bebaute auch das Architekturbüro PPAG jüngst die Eckparzelle zur Vorgartenstraße mit einem Wohnblock, was sie jedoch als sinngebendes Gestaltungsprinzip verstanden. Das meldet der Standard am 6. September 2006.
Typisierte Standardelemente werden, weil ungewöhnlich verwendet, zum Stilmittel. Das Haus ist in seiner Nachbarschaft deshalb ein Eyecatcher.
Jede Wohnung ist ein Unikat. Kunststofffenster und Glasbausteine stehen auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade für gestalterische Modernität. Doch wenn sie als Spielsteine im Fassadenentwurf betrachtet und am Ende klug und mutig verteilt werden – lose und doch geordnet –, können sie das Thema Lochfassade im sozialen Wohnungsbau revolutionieren. Im Zusammenspiel mit ebenso leger über das Haus verteilten Erkern, Loggien und Giebeln und Gauben entsteht eine ungewöhnliche Fassade.
Für einen glanzvollen Auftritt des Eckhauses sorgt zudem Glitter im Silikatputz der Vollwärmeschutzfassade. Je nach Wetterlage schimmert oder strahlt der sonderbare Neuling im Quartier.
Ein ansprechender Innenhof mit Eckbank, Kiesbett, Sandkiste, Hüpf- und Tischtennisplatten bietet Möglichkeiten für ein soziales Miteinander.
Ein vielfältiges Farbkonzept in Zartlila, Beige, Grau und Knallgelb in den Hausfluren schafft Identität und vereinfacht die Orientierung. Nicht zuletzt lassen die farbgetauchten Loggien in den Dachgeschosswohnungen den privaten, halböffentlichen und öffentlichen Raum ineinander fließen.
Möglich, dass das Stadtwappen der Brigittenau die Architekten PPAG zu ihrem frischen und frechen Konzept ermutigt hat: Es zeigt einen Anker und eine herausgestreckte Zunge, umgeben von einem Heiligenschein.
Till Wöhler
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