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09.09.2016
Selbstständig Schaukeln
Sonderschule in Chemnitz
Inklusion ist eines der Top-Themen des zeitgenössischen Schulbaus – so steht es in den Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland der Montag Stiftungen. Barrierefreie Zugänge sind bei Neubauten Standard. Zwischen diesem Ideal und der Realpolitik gibt es jedoch offenbar Diskrepanzen: Das Wirtschaftsmagazin brand eins berichtete im März vom „paradoxen Boom“ der Behindertenwerkstätten. Die sozialen Einrichtungen seien auf Wachstum aus und die politischen Rahmenbedingungen würden eine Integration der Menschen in den regulären Arbeitsmarkt erschweren, so das Fazit.
Im größten Schulbauprojekt der Stadt Chemnitz, dem „Terra Nova Campus“, auch „Entdeckerschule“ genannt, bleiben Behinderte ebenfalls unter sich. Der Neubau der Sonderschule für Körper- und Mehrfachbehinderte kostete etwa 32 Millionen Euro und wurde nach dreijähriger Bauzeit in diesem Jahr fertiggestellt. Die beiden Büros Hänel Furkert Architekten und Dähne Architekten aus Dresden hatten dazu 2009 den von der Stadt Chemnitz ausgelobten Wettbewerb gewonnen.
Tatsächlich bietet der Neubau einige Qualitäten, die Entwicklungsmöglichkeiten für die Schüler versprechen, wie man sie von der Regelschule nicht unbedingt gewohnt ist: Gut ausgestattete Zweifeldsporthalle mit Zuschauertribüne, eigenes Schwimmbecken und direkter Bezug der einzelnen Klassenzimmer zum Außenraum. Es gibt drei separate Pausenhöfe, einen Schulgarten und einen biologischen Anschauungsbereich. Die Rollstuhlschaukel, gespendet vom Rotary Club und der Katharina-Witt-Stiftung, ermöglicht selbstständiges Schaukeln; der Zahnputzbrunnen wurde von lokalen Unternehmen gestiftet. Ein schönes Detail findet sich auch im Speisesaal: Das Emaille-Kunstwerk von Helmut Humann aus den Siebzigerjahren wurde aus einem leerstehenden Schulhaus gerettet und aufgearbeitet.
250 Kinder aus Chemnitz und Umgebung werden von 100 Pädagogen, Heimerziehern und Krankenpflegern betreut. Neben der Schule bietet der Komplex 20 Internatsplätze und Ganztagsbetreuung. Hier wurde großzügig investiert – nun bleibt zu hoffen, dass es gelingt, die Schüler, gemäß dem Selbstbild der Schule, als „aktive, selbstständige Individuen“ und Teil einer „gleichberechtigten Gesellschaft“ ins Berufsleben zu entlassen. (dd)
Fotos: Kim Oliver Gottschalk
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