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19.02.2020
Buchtipp: Stadtbild als Politikum
Skopje Walkie Talkie
Die Schweizer Künstlerin Susanne Hefti hat diese rasanten baulichen Veränderungen auf mehreren Reisen nach Skopje fotografisch dokumentiert. Die so entstandene Bildserie „Unsound Trajectories“ bildet nun die visuelle Basis einer Publikation, die in enger Zusammenarbeit mit dem aus Skopje stammenden Architekten und Kurator Damjan Kokalevski entstand. Sie zeigt am Beispiel von „Skopje 2014“, wie ein Stadtbild in den Händen einer rechtsgerichteten, korrupten Regierung zum ideologischen Instrument wird, um Macht zu zementieren und Geschichte zu verfälschen. Der Titel des Buches „Skopje Walkie Talkie“ verweist dabei auf die ihm zugrunde liegende Untersuchungsmethode: durch die Straßen streifen und über das dort Gesehene reden.
Dementsprechend beginnt der großformatige Band mit einem Gespräch, das Hefti und Kokalevski während eines ausgedehnten Stadtspaziergangs mit der Architektin und Aktivistin Ivana Kostovska aus Skopje, dem Architekten und Kunsthistoriker Milan Dinevski aus Ljubljana und Philip Ursprung, Professor am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich, geführt haben. Es ist eine interessante Bestandsaufnahme, die im Abgleich mit persönlichen Erinnerungen und architekturgeschichtlichem Wissen an konkreten Beispielen aufzeigt, wie brutal vor allem das moderne, aus den 1960er und 70er Jahren stammende Architekturerbe Skopjes durch die angebliche „Rehistorisierung“ beschädigt, zerstört oder – ganz im Sinne des Wortes – verkleidet wurde.
Der anschließende umfangreiche Bildteil nimmt die Leser*innen mit auf einen experimentellen Streifzug durch Skopjes Zentrum. Hefti hat ihre Fotografien dafür rasterförmig nach Orten gruppiert und sie so in das Buch gesetzt, dass kein Motiv ganz auf einer Seite zu sehen ist. Stattdessen entsteht ein verwirrendes Kaleidoskop visueller Fragmente und verschiedener Zeitebenen, das kein konsistentes Bild vermittelt, sondern Vielschichtigkeit, Brüche und Leerstellen hervorhebt. Gerahmt wird diese Fotostrecke von zwei Theorietexten: Die in Skopje lebende Kunsthistorikerin Suzana Milevska steckt den Hintergrund von „Skopje 2014“ ab und geht auf die zivilgesellschaftliche Protestbewegung „Colourful Revolution“ ein. Damjan Kokalevskis Essay kreist um das nur unvollständig erhaltene stadtplanerische Archivmaterial zum Wiederaufbau Skopjes nach einem verheerenden Erdbeben 1963. Damals entwarfen Vetreter einer internationalen Moderne – darunter auch Kenzo Tange – die Bauten und öffentlichen Räume, die nun zum Teil hinter den historisierenden Kulissen verschwunden sind.
Formal betrachtet setzt das hochwertig produzierte Fotobuch auf die große Geste. Der überdimensionale Band wiegt schwer und verleiht seinem Gegenstand so ganz buchstäblich Gewicht und Größe. Gepaart mit einer Gestaltung in Marmoroptik reproduziert dieses Erscheinungsbild die Monumentalität und Ästhetik der „Skopje 2014“-Bauten allerdings auf eine Weise, die durchaus verwundert. Zwar legt ein Farbklecks aus rotem Lack – Referenz an die „Colourful Revolution“ – eine spielerisch-ironische Lesart nahe. Angesichts der Ernsthaftigkeit des Themas und des kritischen Anspruchs des Buches lässt gerade das aber eine gewisse Diskrepanz zwischen Optik und Inhalt entstehen. Dies mag als weiterer „Bruch“ beabsichtigt sein, könnte beim eiligen Blick auf das Cover aber auch zu Missverständnissen führen.
Text: Diana Artus
Skopje Walkie Talkie
Susanne Hefti und Damjan Kokalevski (Hg.)
Englisch
242 Seiten
Spector Books, Leipzig 2019
ISBN: 978-3-95905-246-7
40 Euro
Zum Thema:
Auch die Baunetzwoche#520: Skopje. Von der Moderne zur Karikatur beschäftigte sich mit dem Stadtumbauprojekt „Skopje 2014“.
Kommentare:
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Mimikry? Optisch bleibt das Buch nah an seinen Gegenstand. Der Farbfleck ist eine Referenz an die „Colourful Revolution“.
Blick ins Buch: offizielles „Skopje 2014“-Werbemotiv, angekauft von einer Bildagentur.
In einer umfangreichen Bildstrecke sind Fotografien von Susanne Hefti zu sehen.
Sie hat über mehrere Jahre hinweg die Veränderungen in Skopjes Zentrum dokumentiert.
Bildergalerie ansehen: 18 Bilder