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21.01.2021
Sakrale Wegmarken
Sieben Kapellen aus Holz im Schwäbischen Donautal
Das Bauvorhaben greift ein altes Brauchtum auf und verortet es mit den Mitteln zeitgenössischer Architektur in der Gegenwart. In früheren Zeit waren Wegenetze insbesondere im katholischen Süddeutschland oft durch religiöse Zeichen strukturiert, die Reisenden Orientierung gaben. Dieser Idee folgend fungieren die sieben an eigens ausgewählten Orten errichteten Wegkapellen als neue Landmarken, die sowohl zu Rast und Besinnung einladen als auch Schutz vor der Witterung bieten. Holz als Baustoff lag nahe, weil die Bauten nachhaltig, dauerhaft, reparaturfreundlich und pflegeleicht sein sollten. Es war aber auch der besondere Wunsch der Stifter, die vor ihrem Ruhestand ein Holzwirtschaftsunternehmen führten. Den Bau der Kapellen übernahm die Binswangener Firma Gumpp & Maier.
Die Kooperation mit den sieben Architekten kam teils auf Basis früherer Zusammenarbeit, teils durch Vermittlung zustande. Pro Kapelle stand ein Budget von 100.000 Euro netto plus Kostenentwicklung zur Verfügung. Einzige Vorgabe der Bauherren: Jede Kapelle sollte ein Kreuz enthalten. So entwickelten sich sieben sehr diverse und individuelle Interpretationen der Typologie Wegkapelle. Der pavillonartige Bau von Hans Engel mit kreuzförmigem Grundriss mutet wie ein kleiner römischer Tempel an: Zwölf gedrechselte Rundsäulen tragen ein Flachdach. Drei mit grafischen Motiven gestaltete Glasscheiben begrenzen als einzige Wände den offenen Raum. John Pawsons einem minimalistischen Blockhaus gleichendes Gebäude ist das komplette Gegenteil. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Stapel Stämme, die zum Trocknen übereinander liegen. Die eigenwillige Form des Bauwerks von Wilhelm Huber gleicht einem expliziten Fingerzeig gen Himmel. Belichtet wird der sakrale Innenraum über ein Oberlicht mit blauem Mosaikmuster.
Ebenso nach oben weisend präsentiert sich Alen Jasarevics Beitrag, der zwei zum Gebet gefaltete Hände symbolisieren soll. Außen in ein Schindelkleid gehüllt, sind die Innenwände aus Schichtholz mit Hohleisen bearbeitet, sodass eine lebendige, mit dem Licht interagierende Oberfläche entsteht. Frank Lattke hat über quadratischem Grundriss einen Raum geschaffen, der von einem steilen, hohen Dach überspannt wird, das über der Diagonalen tief nach unten fällt. Die Belichtung erfolgt über vertikale Fensterschlitze. Eine turmartige Kapelle ist hingegen Volker Staabs Antwort auf die Bauaufgabe. Ihre durchlässige Hülle besteht aus einzelnen horizontalen Holzlamellen, die sich wie ein Flügelschlag zum Himmel auffächern. Oben wird der Kapellenraum von einem Kreuz begrenzt, das die hölzerne Tragkonstruktion in die Öffnung zeichnet. Christoph Mäcklers Bau, dessen Einsegnung kurz vor Weihnachten 2020 das Sieben-Kapellen-Projekt abschloss, gleicht optisch am ehesten einer klassischen Wegkapelle. Sie ist jedoch proportional gestaucht und erhält so eine starke vertikale Betonung, die vom Architekten als Reminiszenz an den gotischen Kirchenbau gedacht wurde. Licht kommt durch 172 quadratische, blau verglaste Öffnungen, ein goldgelbes Kreuz durchdringt die westliche Giebelwand. (da)
Fotos: Eckhart Matthäus, Brigida González
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Kapelle Emersacker von Wilhelm Huber (Betzigau)
Kapelle Unterliezheim von John Pawson (London)
Kapelle Kesselostheim von Staab Architekten (Berlin)
Kapelle Ludwigschwaige von Alen Jasarevic (Mering)
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