Man sollte meinen, dass im Jahr 2017 die Dringlichkeit einer nachhaltigen (Bau-)Kultur und die transformativen Kräfte von Leuchturmprojekten längst Konsens seien. Zumindest bei der theoretischen Beschäftigung mit ökonomisch, ökologisch und sozial regenerativen Konzepten sollte also auch die Politik keine Berührungsängste zeigen. Merkwürdig antiquiert mutet hingegen das Geleitwort zum wichtigsten deutschen Preis für Nachaltigkeit an, den die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. in Kooperation mit Bundesregierung, kommunalen Spitzenverbänden, Wirtschaftsvereinigungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschungseinrichtungen initiiert und seit 2013 bereits viermal vergeben hat: Man solle den auf den ersten Blick verwegen und utopisch wirkenden Nachhaltigkeitsprojekten mit Neugier begegnen und ihnen eine Chance einberaumen, so der Schirmherr des DGNB-Preises, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Diese Affirmation eines noch immer vorsichtigen Umgangs zeigt, dass Auszeichnungen wie eben der in diesem Jahr zum fünften Mal verliehene DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ durchaus Sinn machen, und auch die Bekanntgabe ihrer Shortlisten es wert sind, öffentlich diskutiert zu werden. Aus rund 50 Bewerbern – Architekten, Bauherrn oder Gebäudenutzern, die jeweils eine Teilnahmegebühr von 290 Euro entrichteten – wählte die Jury um Martin Haas, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, acht nominierte Projekte aus:
- 50Hertz Netzquartier, Berlin
LOVE architecture, kadawittfeldarchitektur (beide Berlin)
- Bauen für die Gemeinschaft, Bissendorf
blocher partners (Stuttgart)
- Bremer Punkt, Bremen
LIN Architekten Urbanisten (Berlin), Kahrs Architekten (Bremen)
- elobau Werkzeugbau Probstzella, Probstzella
F64 Architekten (Kempten)
- Gemeinschaftlich nachhaltig bauen – wagnisART, München
ARGE bogevischs buero , SHAG Schindler Hable Architekten (München)
- Kärcher Areal, Winnenden
Reichel Schlaier Architekten (Stuttgart)
- LEUPHANA Eine Vision wird real, Lüneburg
Studio Libeskind (New York/Zürich), rw+ architekten (Berlin)
- Sanierung und Modernisierung HVB-Tower, München
HENN (Berlin)
Die Projekte, so die Jury, hätten vorbildhaften Charakter und spannten eine große Bandbreite auf: Sie lieferten intelligente Lösungen für bezahlbaren Wohnraum, starke Konzepte für urbane Quartiersentwicklung sowie rurale Strukturfestigung, leisteten Pionierarbeit sowohl in der Einbindung partizipativer Strategien in Planungsprozesse als auch in der Kombination vom Sozialem, Klimaschutz und Ökonomie durch Bauherrenengagement. Den Anspruch der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz verbänden sie mit architektonischer Qualität, Nutzerkomfort, städtebaulicher Identität und baukulturellem Feingefühl.
Aus den acht Nominierten wird eine weitere Jury unter Vorsitz von
Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, in einer zweiten Runde im September drei Finalisten und das Siegerprojekt küren. Die Entscheidung wird am 8. Dezember in Düsseldorf zum Tag der Nachhaltigkeit verkündet. Auf der groß aufgezogenen Ehrengala werden neben den Gewinnern der Sparte Architektur auch die Sieger der weiteren Nachhaltigkeitspreis-Rubriken – Forschung, Produkte, Kommunen und Unternehmen – honoriert, ein Preisgeld ist mit der Auszeichnung nicht verbunden.
(kms)
Zum Thema:
www.nachhaltigkeitspreis.de
www.preis-nachhaltiges-bauen.de
Objekte bei Baunetz Wissen: die Unternehmenszentrale 50Hertz in Berlin, das Rathaus in Bissendorf und der HVB-Tower in München
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T.C. | 10.08.2017 17:45 UhrDGNB - Das Geht Noch Besser!
Es sollten Projekte prämiert werden, die sich als nachhaltig erwiesen haben, und nicht solche, die aufgrund eines höchst fragwürdigen Kriterienkatalogs für sich in Anspruch nehmen, nachhaltig zu sein.
Wer sagt denn, dass das 50 Herz Quartier nicht in 15 Jahren abgerissen wird, weil sich die Fassade für eine Umnutzung zu Wohnen als unflexibel heraus stellt oder dass der Libeskind-Bau aufgrund der Detaillierung nicht auseinander fällt oder man sich so daran statt gesehen hat, dass er nicht länger als 20 Jahre steht?
Da bringen auch keine überdachten Fahrradstellplätze etwas.
Es wäre doch spannend zu erfahren, welches 50 Jahre alte Gebäude heutzutage als nachhaltig angesehen wird und welche Faktoren wirklich dazu geführt haben.