Die Londoner Sergison Bates sind in Belgien längst keine Unbekannten mehr, zumindest seit der Beteiligung des Büros an der Entwicklung des ehemaligen Brüsseler Industrieareals Tour & Taxis zu einem Wohnquartier und dem Wettbewerb für den Umbau der ehemaligen Citroën Yser Garage zum Kulturzentrum KANAL – Centre Pompidou. Nach einer langwierigen Entscheidungsfindung konnte das Büro auch beim Wettbewerb für den Neubau eines Performing Arts Quartier im östlich von Brüssel gelegenen Leuven punkten. Das Projekt entstand in einer Arbeitsgemeinschaft mit Charcoalblue (London) als Partner für Theatertechnik und Akustik sowie mit Eld NV (Antwerpen) als lokaler Partner. 65 nationale und internationale Büros hatten ursprünglich teilgenommen, bereits im April 2019 wurde Sergison Bates mit dem Abschluß der ersten Phase als Gewinner benannt. Danach folgte jedoch noch ein Überarbeitungs- und beteiligungsprozess, der am Ergebnis allerdings nichts änderte. Die beiden Phasen im Überblick:
Phase 2
- 1. Preis: Arbeitsgemeinschaft Charcoalblue (London), Eld NV (Antwerpen), Sergison Bates (London)
- 2. Preis: Arbeitsgemeinschaft Ouest (Brüssel), Productora (Mexico-Stadt)
- 3. Preis: Arbeitsgemeinschaft Low (Antwerpen), Mecanoo (Delft)
Phase 1- 4. Preis: Henning Larsen (Kopenhagen)
- 5. Preis: Arbeitsgemeinschaft COBE (Kopenhagen), Omgewing (Berchem)
Auf dem Wettbewerbsareal an der Brusselsestraat sind von einem mittelalterlichen Augustinerkloster und einem Mitte des 19. Jahrhundert erbauten Krankenhauskomplex die Kapelle und jene Reste vorhanden, die nicht den beiden düsteren, zehn- und dreizehngeschossigen Scheibenhochhäusern des Krankenhauses aus den 1950ern und 70ern Jahren weichen mussten. Letztere gehören längst nicht mehr zum Gesundheitssystem Belgiens und werden aktuell abgetragen, an ihrer Stelle soll neben einer Wohnbebauung künftig das
Performing Arts Quartier als lebendiger Stadtbaustein und urbaner Treffpunkt in die Zukunft zeigen.
Der auf den ersten Preis gewählte Entwurf überzeugte die Jury durch seine Verflechtung mit dem historischen und räumlichen Kontext, der Aufnahme ehemaliger Baulinien und der Anknüpfung an ursprüngliche Stadtstrukturen. Brückenbauten sollen den Neubau mit den Resten des Augustinerklosters verbinden und jenen architektonischen Bruch reparieren, der durch die beiden Krankenhochhäuser entstand. Strukturen wie die Dachlandschaft Löwens finden ebenso ihre Interpretation wie das ortstypische Netz an Innenhöfen.
Leichtigkeit, Transparenz und eine nicht lineare Anordnung flexibel gedachter Räume sollen die Grenzen zwischen der Stadt und dem Theater auflösen. Ein „Wohnzimmer“ ist ebenerdig und nahezu schwellenfrei hin zur Brusselsestraat konzipiert. Neben den beiden Sälen können hier Künstler, Publikum, Personal, Nachbarschaft und Passanten zusammenkommen. Der multifunktionale große Saal, bei dessen Planung mit Begriffen wie „Low Tech“ und „High Impact“ das Gleichgewicht zwischen automatisierten und manuellen Systemen ausgelotet wird, öffnet sich großräumig zu einem Innenhof. Der kleinen Saal ermöglicht mit transparenter Fassade und raumhohen Fenstern eine spezifische Interaktion mit der Stadt.
Zwei bauliche Kerne sollen die Zirkulation organisieren, für akustische Trennungen sorgen, das Gebäude stabilisieren und eine Dachterrasse erschließen. Diese befindet sich unter einer Metallkonstruktion, auf der ein LED-System zur stadtweiten Kommunikation des Programms beiträgt. Sollte alles nach Plan verlaufen, wird darauf zwischen 2025 und 2027 die Eröffnung des
Performing Arts Quartier angekündigt. Zudem besteht die Hoffnung, mit diesem Projekt die Chancen Löwens bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2030 zu erhöhen.
(hn)
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reto | 05.05.2020 12:39 Uhrzwiespalt
Ich bin etwas zwiegespalten. Eigentlich sind die ersten drei Plätze wirklich schöne Entwürfe, die einen hierzulande bisweilen neidisch machen können, wenn man sieht was hier so entsteht. Andererseits ist es etwas fragwürdig "künstlich" eine Architektur mit ranziger Industrieanmutung zu schaffen obwohl es sich um einen Neubau handelt. Verkommt dann das Industrieambiente nicht zum aufgesetzten Selbstzweck, also zu einer Art aufgeklebten Ornament? Auch irgendwie doof...obwohl es auch schön ist.